Vertrauen ist gut. Kontrolle ist besser!

NEW BUSINESS - NR. 3, MÄRZ 2024
Gudrun Meierschitz, Vorständin Acredia Versicherung AG: „Die Zahlungsmoral ist ein wichtiger Indikator für Zahlungsverzögerungen, -ausfälle und Insolvenzen." © Acredia/M. Draper

Wenn Unternehmen trotz erbrachter Leistung vergeblich auf eine Begleichung der Rechnung warten, kann König Kunde schnell zum Risiko werden. Eine Kreditversicherung schafft Abhilfe.

Das Prinzip der „Predictive Maintainance“ hat sich in der Industrie à la longue etabliert – aus gutem Grund. Die datenbasierte Vorhersage von potenziellen Defekten und damit einhergehende vorbeugende Wartungsmaßnahmen sparen Zeit und Kosten und können vor allem ungeplante Stillstände innerhalb der Produktion vermeiden.

Im Forderungsmanagement ist das Prinzip ähnlich vielversprechend, denn ausstehende Rechnungen können für die Liquidität und den laufenden Betrieb eines Unternehmens zur enormen Belastung werden. Die vorbeugende Maßnahme in diesem Fall: die umfassenden Leistungen einer Kreditversicherung. Verzögert sich eine Zahlung oder fällt gar aus, springt diese ein und entschädigt offene Forderungen. Damit es aber im besten Fall erst gar nicht dazu kommt, werden gegenwärtige oder potenzielle Kunden der Versicherten kontinuierlich auf ihre derzeitige und künftige Bonität, sprich Zahlungsfähigkeit überprüft. 

Zahlungsmoral: Kommt 2024 die große Verschlechterung? 
Das Gewähren von Zahlungszielen ist in der Wirtschaft nicht nur gang und gäbe, sondern oftmals sogar notwendig, um einen Auftrag erst an Land zu ziehen. In einigen Fällen wird der Bogen der vereinbarten Fristen jedoch überspannt.

Wie die Ergebnisse der Austrian-Business-Check-Umfrage vom vergangenen Herbst zeigen, attestieren zwar nach wie vor 66 Prozent der Betriebe (2022: 70 %) Österreich ein gutes Zahlungsverhalten. Doch das sind um zehn Prozentpunkte weniger als noch vor zwei Jahren. Paral­lel dazu ist in den vergangenen beiden Jahren der Anteil an jenen gewachsen, die eine Verschlechterung erkennen – und zwar von sieben auf 18 Prozent.

„Quer über alle Branchen hinweg wird in Österreich aktuell jede sechste Rechnung zu spät bezahlt“, erklärt Walter Koch, Geschäftsführer der KSV1870 Forderungsmanagement GmbH. Was den Faktor Pünktlichkeit betrifft, hat sich der Bund (78 % zahlen pünktlich) um fünf Prozentpunkte und die Länder (78 %) um einen Prozentpunkt verschlechtert. Während sich die Privaten (88 %) auf Vorjahresniveau bewegen, haben sich sowohl Firmenkunden (79 %) als auch die Gemeinden (85 %) geringfügig um jeweils einen Prozentpunkt verbessert.

Wenn es um die tatsächliche Zahlungsdauer geht, haben sich die Firmenkunden um einen Tag auf 26 Tage verschlechtert und die Länder (33 Tage) um einen Tag verbessert. Private mit 13 Tagen, der Bund (34 Tage) und die Gemeinden (25 Tage) erreichten ihr Vorjahresergebnis. Heruntergebrochen auf die einzelnen Bundesländer verzeichnen sowohl bei den Firmen- (31 Tage) als auch bei den Privatkunden (16 Tage) die Tiroler die längste Zahlungsdauer.

Am schnellsten sind die Vorarlberger Firmen (24 Tage) und Privatpersonen aus der Steiermark mit elf Tagen. All das scheint jedoch nur die „Ruhe vor dem Sturm“ zu sein. Denn nach ihrer Prognose für das Jahr 2024 befragt, haben 43 Prozent der Unternehmen geantwortet, dass sie eine Verschlechterung der Zahlungsmoral im nächsten Jahr erwarten.

Weltwirtschaft resilienter als 2022, Österreich-Rating bleibt auf AA1
„Die Zahlungsmoral ist ein wichtiger Indikator für Zahlungsverzögerungen, -ausfälle und Insolvenzen. Je länger Unternehmen auf ihr Geld warten müssen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie am Ende ganz auf der unbezahlten Rechnung sitzen bleiben. Lieferanten übernehmen einmal mehr die Rolle einer unsichtbaren Bank, was die Liquiditätsrisiken im System erheblich erhöht“, weiß Gudrun Meierschitz, Vorständin von Acredia. Der österreichische Marktführer für Kreditversicherungen hat in Zusammenarbeit mit Allianz Trade den Country Risk Atlas erstellt, welcher das Risiko von Zahlungsausfällen in einem bestimmten Land ermittelt.

Österreich wird von Acredia und Allianz Trade weiterhin mit einem Länderrating von AA1 bewertet, was einem geringen Risiko für Unternehmen entspricht. „Österreich hat die Pandemie und die Energiekrise wirtschaftlich sehr gut weggesteckt“, analysiert Gudrun Meierschitz. „Die schwache globale Nachfrage und der hohe Inflationsdruck haben aber 2023 eine leichte Rezession gebracht. Für 2024 gehen wir von einer leichten Erholung und einem BIP-Wachstum von 0,6 Prozent aus, für 2025 erwarten wir dann eine Steigerung von 1,5 Prozent.“

21 Länderratings heraufgestuft, nur 4 herabgestuft
Insgesamt verbesserte sich die Risikobewertung von 21 Ländern gegenüber dem Vorjahr, was etwa 19 Prozent des weltweiten BIP entspricht. Lediglich vier Länderratings wurden herabgestuft. Dieser Trend ist völlig konträr gegenüber 2022, als sich nur acht Länderrisikobewertungen verbesserten und 17 verschlechterten.

Gudrun Meierschitz erklärt: „2022 hat der Ukrainekrieg die Länderrisikobewertungen stark beeinflusst. Letztes Jahr hat sich die globale Wirtschaft trotz einer aggressiven geldpolitischen Straffung und einiger bedeutender globaler Schocks relativ gut behauptet. Die Lage ist derzeit somit besser, als es die allgemeine Stimmung vermuten lässt.“ Die meisten Länderratings wurden in Afrika heraufgestuft (10), gefolgt von Europa (6). In Asien sowie Nord- und Südamerika haben sich nur die Risikoprofile für China und Uruguay verbessert.

Zahlungsausfallsrisiko bleibt stabil
Das weltweite durchschnittliche Risiko eines Zahlungsausfalls für Unternehmen bewerten Acredia und Allianz Trade mit 2, was einem mittleren Risiko entspricht. Damit blieb das Zahlungsausfallsrisiko zwar gegenüber 2022 stabil, es ist aber höher als während der Pandemie und befindet sich beinahe wieder auf dem Niveau von 2019. Auf regionaler Ebene liegt die durchschnittliche Risikoeinstufung für Afrika über 3 (empfindlich), während der Nahe Osten, Lateinamerika und Osteuropa (einschließlich Russland) noch knapp unter 3 rangieren. Der asiatisch-pazifische Raum wird mit leicht über 2 (mittel) bewertet, Westeuropa und Nordamerika liegen nahe bei 1 (niedrig).

Weltweiter Insolvenz-Anstieg von 6 Prozent
Acredia geht dieses Jahr von einem weltweiten Anstieg von 6 Prozent bei den Unternehmensinsolvenzen aus. Mehr als die Hälfte der Länder wird voraussichtlich große zweistellige Zuwächse verzeichnen. Dazu zählen etwa die USA (+47 Prozent), Frankreich (+36 Prozent), die Niederlande (+59 Prozent), Japan (+35 Prozent) und Südkorea (+41 Prozent). Für 2024 wird ein weiteres Plus von 10 Prozent bei den Firmenpleiten prognostiziert, dann dürften drei von fünf Länder das Niveau von vor der Pandemie erreichen, einschließlich großer Märkte wie die USA und Deutschland.

„Um die Insolvenzzahlen zu stabilisieren, müsste sich das weltweite Wirtschaftswachstum verdoppeln“, so Meierschitz. „Das ist vor 2025 nicht realistisch. Gleichzeitig gehen wir davon aus, dass sich die Zahlungsfristen verlängern, was die Insolvenzdynamik in den kommenden Quartalen zusätzlich anheizt.“ 47 Prozent der Unternehmen weltweit warten über 60 Tage, bis ihre offenen Forderungen bezahlt werden.

Ein zusätzlicher Tag Zahlungsverzug entspricht in der EU einer Finanzierungslücke von beinahe 87 Milliarden Euro. „Da Bankkredite für KMU bereits knapper werden, werden sogenannte Lieferantenkredite zunehmend ausgeschöpft. Das Eintreiben offener Forderungen könnte für Unternehmen zu einer erheblichen Herausforderung werden“, betont Meierschitz. (BO)