Konzernchef: Öffnungszeitengesetz ist "sehr nostalgisch" © APA - Austria Presse Agentur

Rewe-Österreich-Chef Marcel Haraszti drängt erneut auf eine Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten. Im APA-Gespräch forderte er eine Ausweitung von aktuell maximal 72 Stunden auf 80 Stunden zwischen Montag und Samstag. Das Öffnungszeitengesetz sei ein "sehr nostalgisches Gesetz", das Kundenverhalten habe sich geändert, so der Billa/Bipa-Konzernchef. Mit der Umsatz- und Gewinnentwicklung im Vorjahr zeigte er sich zufrieden.

Den Wunsch von manchen Händlern nach einer Sonntagsöffnung lehnt Haraszti aber ab. "Ich finde es richtig, dass man am Sonntag zu hat. Es ist der Tag der Familie." Der Rewe-Österreich-Chef hatte bereits 2020 auf eine Liberalisierung der Öffnungszeiten unter der Woche gedrängt. Damals hatte er vorgeschlagen, zum Beispiel Filialen in der Stadt bis 23 Uhr offen halten zu dürfen, während man an Standorten, die von Pendlern stark frequentiert werden, gerne schon ab 6 Uhr in der Früh aufsperren würde. Das geht sich wegen der 72-Stunden-Regelung pro Woche nicht aus.

Eine "klare Absage" kam postwendend von der Gewerkschaft GPA. "Durch eine Ausweitung der Öffnungszeiten würde man der Attraktivität der Branche für Beschäftigte keinen guten Dienst erweisen. Schon jetzt leiden die Angestellten unter enormen Stress und Arbeitsdruck aufgrund von Personalmangel. Eine Ausweitung der Öffnungszeiten würde die Situation noch weiter verschärfen. Arbeitszeiten ab 6 Uhr und bis 23 Uhr sind weder beschäftigten- und schon gar nicht familienfreundlich", so der Vorsitzende des Wirtschaftsbereichs Handel in der GPA, Martin Müllauer.

Die deutsche Rewe-Gruppe steigerte in Österreich den Brutto-Gesamtumsatz im Vorjahr mit Billa, Billa Plus, Bipa, Adeg und Rewe Austria Touristik um 9,6 Prozent auf 10,45 Mrd. Euro. Per Jahresende 2023 beschäftigte der Handelskonzern hierzulande über 47.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in knapp 2.500 Filialen. Das Lebensmittelgeschäft wuchs um 9,1 Prozent auf 9,3 Mrd. Euro, die Erlöse bei Bipa kletterten um 13,2 Prozent auf 940 Mio. Euro. Zum Vergleich: Die Inflation belief sich 2023 auf 7,8 Prozent. Im Jahr 2022 betrug der Nettogewinn der Billa Aktiengesellschaft laut im Firmenbuch hinterlegtem Geschäftsbericht rund 27 Mio. Euro. Der Jahresabschluss für 2023 muss erst im kommenden Herbst veröffentlicht werden.

Im Onlinehandel beliefen sich die Umsätze 2023 von Billa auf 78 Mio. Euro und von Bipa auf 25 Mio. Euro. Kurzfristig gebe es kein Potenzial, damit Gewinn zu machen, aber es wäre "fatal", diesen Vertriebsweg nicht anzubieten, so Haraszti. Billa ist laut eigenen Angaben Marktführer im Online-Lebensmittelhandel in Österreich.

Rewe hat die Marktführerschaft im heimischen Lebensmittelhandel vor einigen Jahren an Spar verloren. Im vergangenen Jahr legte der Marktanteil zwar um 0,2 Prozentpunkte auf 33,9 Prozent zu, allerdings deutlich weniger stark als bei Konkurrent Spar, der den Anteil um 0,5 Prozentpunkte auf 36,8 Prozent ausbaute.

Rewe strebe ein gesundes und nachhaltiges Wachstum an, sagte Haraszti. Im Vorjahr seien 41 Billa-Märkte geschlossen worden, die nicht rentabel waren. Insgesamt seien die Einkaufsflächen um 1,6 Prozent reduziert worden. Eine derartige Flächenreduktion habe man "noch nie" gemacht. Auch heuer sollen um die 20 Billa-Filialen zumachen. "Wären wir die Nummer 1 bei den Marktanteilen, dürften wir nichts mehr schließen oder bereinigen. Wir wollen die Nummer 1 in der Kundenwahrnehmung sein", sagte der Manager.

Am Ziel, bis Ende 2026 rund 100 Billa-Filialen von selbstständigen Kaufleuten führen zu lassen, hält der Handelskonzern fest. Bisher ist das "Kaufleute-Modell" an 10 Standorten umgesetzt. Der Billa-Kaufmann oder die Billa-Kauffrau halten 80 Prozent an der offenen Gesellschaft (OG) und Billa 20 Prozent. Haraszti verwies auf die positive Entwicklung der selbstständigen Adeg-Kaufleute und auf die genossenschaftlichen Wurzeln der deutschen Konzernmutter Rewe. In Deutschland werden die Märkte als Filialen oder durch selbstständige Rewe-Kaufleute betrieben.

Den restriktiveren Kurs bei den Aktionen hat der Rewe-Österreich-Chef angesichts der hohen Teuerung wieder verworfen. "Jetzt ist nicht der Moment, um Aktionen zu reduzieren", sagte der Handelschef. Das Unternehmen habe die Preise von über 1.000 Artikeln gesenkt, das Sortiment der Billigmarke "Clever" ausgebaut und biete Rabattpickerln 52 Wochen anstatt 40 Wochen im Jahr an. Der Aktionsanteil bei Billa, Billa Plus & Co liege derzeit bei fast 39 Prozent. "Man kann auf den Weg zum Diskonter verzichten", sagte Haraszti. Zum Vergleich: In Deutschland liegt der Aktionsanteil im Schnitt bei 12 bis 15 Prozent. Erneut kritisierte der Handelsmanager den Arbeiterkammer-Preismonitor, weil dabei nur Lebensmittel-Kurantpreise (nicht-reduzierte Normalpreise) zwischen Österreich und Deutschland verglichen werden. Wenn man den hohen Aktionsanteil in Österreich mit einberechne, würden "die Kunden in Österreich sehr gut aussteigen".

Auch Eigenmarken waren wegen der Inflation gefragter als sonst. Bei der Billigmarke "Clever" verzeichnete Rewe ein Umsatzplus von 27 Prozent, aber auch die Biomarken "Ja!Natürlich" und "Billa Bio" wuchsen um 10 bzw. 18 Prozent. In den vergangenen zehn Jahren sei der Eigenmarkenanteil bei Rewe von 22 auf 32 Prozent gestiegen.