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Johann Martin Schachner, CEO Atos Österreich © Atos

Die Lockdowns haben da und dort Schwachstellen aufgezeigt, ­die behoben werden müssen, wenn Unternehmen digital richtig ­durch­starten wollen.

Über dieses und andere Themen haben wir mit ­Johann Martin Schachner, CEO von Atos Österreich, gesprochen.

Johann Martin Schachner ist langjähriger CEO von Atos Österreich mit viel IT-Erfahrung. NEW BUSINESS hat ihn unter anderem nach seiner Einschätzung aktueller IT-Trends gefragt, aber auch zu der jüngsten Übernahme von SEC Consult durch Atos oder zum Einfluss der Corona-Krise auf den Stellenwert der IT interviewt.

Herr Schachner, Atos beschäftigt sich mit vielfältigen IKT-Themen. Lässt sich vorhersagen, welche Entwicklungen in der kommenden Zeit den meisten Einfluss auf Unternehmen haben werden?
Viele Unternehmen und Institutionen haben es inzwischen zwar geschafft, Kundinnen und Kunden sowie Bürgerinnen und Bürgern moderne, digitale Lösungen und Services wie etwa Apps oder elektronische Signaturen anzubieten. Während der Lockdowns beziehungsweise angesichts der erfolgreichen Verbreitung von Remote-Working haben sie aber festgestellt, dass die Prozesse im eigenen Haus alles andere als effizient ablaufen und nicht für digitales mobiles Arbeiten ausgerichtet sind. Denn es reicht nicht, seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit mobilen Endgeräten auszustatten – das funktioniert relativ rasch.

Aber wenn die Unternehmensprozesse dahinter nicht für digitales Arbeiten abgebildet sind, weil die Applikationsplattformen nicht dafür ausgestattet sind, dann nützt auch die beste Infrastruktur nichts. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sitzen dann zu Hause vor dem Notebook und können auf die zum Arbeiten notwendigen Systeme nicht zugreifen. Dieses Beispiel zeigt, dass oftmals erst noch bei den Basics in puncto IT begonnen werden muss, bevor große, disruptive Digitalisierungsprojekte in Angriff genommen werden können. Damit werden sich viele Betriebe in der kommenden Zeit befassen müssen. Ähnliches gilt für Handelsbetriebe, die während der Lockdowns rasch eigene Webshops errichtet haben, mit teils unterschiedlich ausgereiften Logistikprozessen im Hintergrund. Zum großen Teil sind das Notlösungen, die während eines Lockdowns etwas Umsatz generieren, aber keine dauerhafte Digitalisierung.

Als Alternative bieten sich Plattformen, wie etwa die bekannten Essenslieferanten, an, die ihren Kunden die Logistik bereits als Gesamtangebot zur Verfügung stellen. Solche Plattformen werden zukünftig immer wichtiger werden, da sie auch kleinen Anbietern den Zugang zu großen Märkten ermöglichen.

Gibt es Ihrer Einschätzung nach eine Entwicklung oder Technologie, die viel Potenzial hat, aber von vielen unterschätzt wird?
Tatsächlich hat der Bereich der Automatisierung ein enormes Potenzial für so gut wie jedes Unternehmen – auch wenn dies auf den ersten Blick nicht besonders spannend klingen mag. Allerdings kann durch die Automatisierung von Routinetätigkeiten, manuellen, mühsamen und fehleranfälligen Prozessen und Workflows sowie von repetitiven Kundenanfragen, die zum Teil auch Systembrüche aufweisen, ein rascher Return on Investment erreicht werden. So werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter etwa mithilfe von KI und Chatbots entlastet, sodass sie sich auf das eigentliche Business fokussieren können.

Zudem können einzelne Abläufe so besser nachverfolgt werden. Die Einsatzmöglichkeiten sind überaus vielfältig, und die Entwicklung und Implementierung dieser Lösungen können zügig umgesetzt werden. Jedes Unternehmen, mit dem wir über Automatisierung sprechen, hat sofort eine Reihe von Ideen, wie diese ihnen den Alltag erleichtern kann.
Was von dem einen oder anderen Unternehmen noch unterschätzt wird, sind nach wie vor die Aspekte Nachhaltigkeit und Dekarbonisierung. Dabei hängt ihr wirtschaftliches Fortbestehen in hohem Maße damit zusammen. Denn schon heute wenden sich KonsumentInnen, MitarbeiterInnen und potenzielle BewerberInnen zusehends von Firmen ab, die keine klimafreundlichen Produkte und Services anbieten oder gar umweltschädlich agieren. Zudem werden sich am Markt immer weniger GeschäftspartnerInnen finden lassen, die mit nicht-klimafreundlichen Betrieben kooperieren – dasselbe gilt auch für öffentliche Ausschreibungen und Förderungen, die zunehmend ökologische Aspekte berücksichtigen.

Mithilfe neuer Technologien können Ökologie und Wirtschaftlichkeit jedoch gut miteinander vereinbart werden, etwa durch die Entwicklung CO₂-neutraler Produkte oder die Etablierung einer Kreislaufwirtschaft. Daher rate ich Betrieben, die gerade jetzt im Zuge der Krise ihre Strategie und Ausrichtung überdenken, Dekarbonisierung und Digitalisierung in ihre Pläne zu integrieren. Wir von Atos können diese Unternehmen bei der Evaluierung und Gestaltung einer CO₂-neutralen IT sowie entsprechender Un­ternehmensprozesse beraten und unterstützen.

Wir selbst haben es uns daher zum Ziel gesetzt, eine Vorreiterrolle bei der Dekarbonisierung einzunehmen und bis 2035 Netto-null-Kohlenstoffemissionen zu erreichen – ein Datum, das 15 Jahre vor dem ehrgeizigen Ziel des Pariser UN-Klimaabkommens liegt. Atos wird bereits seit mehreren Jahren in Folge im Dow Jones Sustainability Index als das weltweit nachhaltigste Unternehmen seiner Branche gelistet und nimmt damit den ersten Platz unter 65 anderen globalen IT-Unternehmen ein.

Kürzlich wurde die Übernahme des in Österreich gegründeten Cybersecu­rity-Beratungsunternehmens SEC ­Consult durch Atos abgeschlossen. Wie kam es zu diesem Deal?
Wir haben bereits in der Vergangenheit mit SEC Consult zusammengearbeitet, sowohl in gemeinsamen Kundenprojekten als auch bei der Überprüfung unserer eigenen Systeme. Unser Ziel ist es, unser Cybersecurity-Portfolio laufend auszubauen, da im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung aller Wirtschaftszweige auch die Nachfrage danach beziehungsweise der Bedarf daran kontinuierlich wächst. Die Lösungen von SEC Consult sind daher eine optimale Erweiterung unserer Kompetenzen und Angebote.

Die Akquisition wurde federführend aus Österreich beziehungsweise der DACH-Region initiiert und vorangetrieben – da SEC Consult auch international tätig ist, war schließlich auch die Atos-Gruppe daran beteiligt.

Welchen Beitrag liefert SEC Consult zum Atos-Portfolio?
Besonders attraktiv für uns und unsere Kunden ist SEC Consults Expertise im Bereich spezifischer Sicherheitstest, etwa sogenannter Penetration-Tests, mithilfe derer Produkte, Software sowie auch gesamte Firmennetzwerke auf mögliche Cybersecurity-Risiken getestet werden. Unter anderem treten die ExpertInnen von SEC Consult in sogenannten Red Teams gegen die Bedrohung aus dem Cyberspace an, indem sie im Rahmen einer Angriffssimulation in die Rolle von HackerInnen schlüpfen und in einem strategisch geplanten und gut überwachten Vorgehen schonungslos Schwachstellen und Sicherheitslücken aufdecken.

Die Red Teams berücksichtigen dabei neben technischen insbesondere auch menschliche und physische Sicherheits­faktoren, etwa das Verbinden von externen, ungeprüften Geräten mit dem Firmennetzwerk, den Diebstahl von Firmenlaptops oder auch den Zugang nicht autorisierter Personen zu sensi­blen Räumlichkeiten.

Hatte die Corona-Pandemie großen Einfluss auf die mittel- bis lang­fristigen IT-Pläne der Unternehmen?
Grundsätzlich wird die Krise eine Beschleunigung der digitalen Transformation bewirkt haben. Das bedeutet aber nicht, dass alle Unternehmen nach der Pandemie das Maximum an Digitalisierung erreicht haben werden – zumal dies ohnehin ein fortwährender Prozess ist.

Was wir am häufigsten gesehen haben, war, dass viele geplante IT-Projekte gestoppt und unter Einbeziehung der Erfahrungen der letzten Monate einem Review unterzogen wurden. Die Unternehmen beschäftigen sich jetzt intensiv mit der Frage, wie sie Technologie besser beziehungsweise wirklich sinnvoll in ihre Produkte, Services und Prozesse integrieren können. Jetzt werden diese Projekte mit einem völlig anderen Ansatz als noch vor einem Jahr und mit einer enormen Dynamik umgesetzt.

Denken Sie, dass sich durch die Ereignisse der vergangenen Monate der Stellenwert der IT-Abteilungen in den Unternehmen verändert hat?
Vielleicht sollte man hier zwischen IT und Abteilung differenzieren: Die IT als Branche hat unbestritten an Bedeutung gewonnen. Wir konnten während der Krise sehr gut beobachten, wie schwer sich jene Unternehmen getan haben, die sich mit neuen Technologien oder auch vermeintlich simplen Aspekten wie E-Commerce bislang kaum oder gar nicht beschäftigt haben. Andererseits konnten digital native Unternehmen sogar ein Umsatzwachstum verzeichnen. Dasselbe gilt für Betriebe und Institutionen, denen es sehr schwergefallen ist, ihren MitarbeiterInnen die notwendige Ausstattung fürs Remote-Working zur Verfügung zu stellen, während andere nahezu ungehindert von zu Hause weiterarbeiten konnten.

Insgesamt haben wir also gesehen, dass das Aufrechterhalten von Wirtschaft und Gesellschaft ohne die IT kaum möglich gewesen wäre. Ob diese Erkenntnis auch die Abteilung als solche aufwertet, ist schwer zu sagen. Denn wir erleben bei unseren Kunden immer häufiger, dass Innovations- oder Modernisierungsimpulse aus den anderen Fachabteilungen kommen, weil diese den dahinterstehenden Business-Nutzen erkennen, Trends beim Mitbewerb beobachten oder schlicht ein „Problem“ in ihren täglichen Abläufen lösen wollen. Idealerweise werden solche Lösungen gemeinsam mit der IT-Abteilung entwickelt, damit Effizienz, User-Experience und Business Hand in Hand gehen. (red.)

www.atos.net

Zur Person:
Johann Schachner wurde in Scheibbs geboren und ist in Lunz am See aufgewachsen. Er hat Nachrichtentechnik und Elektronik an der HTbLuVA St. Pölten abgeschlossen und Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Bank- und Börsenwesen in Deutschland studiert. 1990 erfolgte sein Berufseinstieg bei Siemens in die Programm- und Systementwicklung. Nach einigen Stationen im In- und Ausland übernahm er diverse Verantwortungsbereiche im Rahmen des Projekt- und Outsourcing-Geschäfts der Siemens Business Services und später Siemens IT Services in der Region Zentral- und Südosteuropa.
Sein Berufsweg führte ihn nach Budapest, Kairo, Frankfurt, Mannheim, Karlsruhe, Danzig und London. Sein Einstieg bei Atos erfolgte im Jahr 2011, seit 2013 ist er CEO von Atos Österreich.