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Phoenix-Contact-Geschäftsführer Thomas Lutzky spricht sich im Interview für eine Beschleunigung von Genehmigungsverfahren im Bereich der erneuerbaren Energien aus. © Phoenix Contact/Martina Draper

Thomas Lutzky ist Geschäftsführer der Österreich-Tochtergesellschaft von Phoenix Contact. Im Interview spricht er unter anderem darüber, wie sich der Kampf gegen den Klimawandel...

... und das Streben der Menschen nach Wohlstand und Entwicklung vereinen lassen.

Das Konzept der All Electric Society beschreibt eine Welt, in der der globale Energie­bedarf komplett und nachhaltig aus regenerativen Quellen gedeckt wird. Die 1923 gegründete Phoenix Contact Gruppe mit ihren weltweit mehr als 20.000  Mitarbeitern hat sich diesem Ziel verschrieben, das heute wichtiger ist denn je.

NEW BUSINESS hat mit Thomas Lutzky, Geschäftsführer der Phoenix Contact GmbH in Österreich, über dieses Thema gesprochen.

Herr Lutzky, die Energiekrise gibt Konzepten wie beispielsweise der von Phoenix Contact vorangetriebenen All Electric Society zusätzlichen Auftrieb. Was steckt da dahinter?
Auf den ersten Blick scheinen zwei große Themen unserer Gesellschaft – der Kampf gegen den Klimawandel und das Streben von Milliarden von Menschen nach Wohlstand und Entwicklung – widersprüchlich und unvereinbar zu sein. Die Herausforderung besteht darin, effizienten Verbrauch zuzulassen und trotzdem das Klima zu schützen. Aus technischer Perspektive ist die Antwort darauf die All Electric Society. 

Das Zukunftsbild der All Electric Society beschreibt eine Welt, in der Energie aus erneuerbaren Ressourcen jederzeit in ausreichendem Maß und bezahlbar zur Verfügung steht. Neben der konsequenten Erzeugung und Nutzung regenerativer Energie sind die Senkung des primären Energiebedarfs durch Effizienzmaßnahmen und die Schaffung von intelligenten und vernetzten Systemen die Schlüssel für eine nachhaltige Zukunft. 

Wie lässt sich dieses Ziel technologisch umsetzen?
Durch die Sektorenkopplung. Energieerzeugung, -verteilung, -speicherung und -verbrauch müssen gesamtheitlich betrachtet werden. Dazu tauschen einzelne Sektoren Energie untereinander aus, sodass diese in der richtigen Form dort zur Verfügung steht, wo sie gerade benötigt wird. Auf Basis der Verbrauchs- und Erzeugungsdaten gilt es, den Energiefluss optimal zu steuern.

Um Energie künftig bedarfsgerechter einzusetzen, werden konkrete Lösungen zur Realisierung der Sektorenkopplung benötigt. Das bedeutet, dass die Sektoren nicht nur leistungstechnisch, sondern auch kommunikativ miteinander vernetzt werden müssen. Standardisierte Kommunikationsprotokolle zwischen verschiedenen Netzwerken ermöglichen die notwendige Kommunikation, frei von Systemgrenzen. Das Prinzip der Sektorenkopplung funktioniert im Kleinen, zum Beispiel innerhalb eines Unternehmens, genauso wie unternehmensüber­greifend. 

Wo kommen Hersteller wie Phoenix Contact ins Spiel? Wie können Ihre Produkte dabei unterstützen?
Lassen Sie mich das anhand einiger Applikationen darstellen: Mit zunehmender Elektrifizierung, Vernetzung und Automatisierung der Sektoren wächst die Abhängigkeit von zuverlässigen Stromversorgungslösungen. Für die sichere Versorgung und Kopplung der Sektoren bieten wir Lösungen für alle Applikationen – mit Überspannungsschutz, unterbrechungsfreien Stromversorgungen, Redundanzmodulen und passenden Geräteschutzschaltern. Zuverlässige Stromversorgungslösungen vermeiden also den Ausfall vernetzter Systeme.

Automatisierung ist der Schlüssel, um Sektoren energieeffizienter zu machen. Sie geht einher mit der Vernetzung aller Maschinen, Geräte, Sensoren und Aktoren zu einem industriellen Internet der Dinge. Darin sorgt Single Pair Ethernet (SPE) für eine durchgängige Ethernet-Kommunikation. SPE steht für die parallele, hochleistungsfähige Übertragung von Daten und Leistung. Ressourcensparend durch nur ein Adernpaar und vom Sensor bis in die Cloud ermöglicht SPE die nahtlose IIot-Kommunikation bis zur Feldebene. Zudem muss die Steuerungstechnik über die Grenzen einzelner Anwendungsfelder hinaus zusammenwachsen. Offene Steuerungstechnik wie das Ecosystem PLCnext Technology ermöglicht das – unabhängig von Hardware und Programmiersprachen. Außerdem macht sie die kollektive Intelligenz von IT- und OT-Spezialisten nutzbar für die schnelle Umsetzung und stetige Weiterentwicklung individueller Lösungen.

Die Breitbandtechnologie 5G ermöglicht drahtlose Kommunikation innerhalb und zwischen allen Sektoren: mit hohen Datenraten, großen Teilnehmerzahlen und extrem geringen Latenzzeiten. Die intelligente Kommunikation mit 5G zwischen Maschinen und Anwendungen sichert autonomere und effizientere Prozesse von der Produktion bis hin zur Logistik und macht drahtlose Kommunikation zuverlässig.

Eine umfassende Datenerfassung und -auswertung ist die Basis einer wirtschaftlichen Produktion in der digitalen Fabrik. Mit den Ergebnissen lässt sich die Fertigung in allen Bereichen effizienter gestalten, angefangen von Maschinennutzungszeiten bis hin zum Energiemanagement. Zentral über sichere Cloud-Lösungen erfasst, können Energieerzeugung, -speicherung und -verbrauch nicht nur für eine einzelne ­Fabrik, sondern für ganze Industrienetzwerke optimal ausbalanciert werden. 

Die Sektorenkopplung ist in smarten Gebäuden bereits Realität: PV-Anlage auf dem Dach, Blockheizkraftwerk im Keller, Ladesäulen vor der Tür. Zudem passen Laternen ihre Beleuchtungsintensität der Wetterlage, wechselnden Lichtverhältnissen und der jeweiligen Straßenbenutzung an. Um diese Systeme automatisiert und möglichst energieeffizient betreiben zu können, müssen unterschiedliche Daten, ob von Anlagen oder Sensoren, universell nutzbar gemacht werden. Vehicle to Grid macht aus Fuhrparks rentable Energiespeicher. Die E-Mobility-Ladesteuerungen CHARX control modular ermöglichen es, dass Batterien von E-Autos intelligent geladen werden. Zusätzlich können sie auch Strom ans Netz zurückgeben, wann immer nötig. Die Technologie dahinter nennt sich Vehicle to Grid. In der ISO 15118 sind die technischen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen dafür beschrieben.

Ist das eine reine Investition in den Klimaschutz, oder gibt es auch einen „klassischen“ ROI?
In Zeiten hoher Energiepreise dient jede Investition in die Effizienzsteigerung gleichermaßen der Wirtschaftlichkeit wie dem Klimaschutz.

Wo liegen Ihrer Meinung nach die größten Stolpersteine auf dem Weg zur All Electric Society?
Im bürokratischen und regulatorischen Bereich. Jahrelange Genehmigungsverfahren mit bis zum Schluss ungewissem Ausgang behindern den Ausbau erneuerbarer Energie. Die Politik ist gefordert, für Beschleunigung zu sorgen und zusätzlich vorbildhaft voranzuschreiten, zum Beispiel durch die Errichtung von PV-Anlagen auf öffentlichen Gebäuden.

Welchen Stellenwert hat das Thema Nachhaltigkeit für Phoenix Contact?
Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind globale Herausforderungen unserer Zeit. Wir nehmen diese Themen ernst und setzen von der Entwicklung über die Fertigung bis zur Logistik auf eine nachhaltige Wertschöpfung. An unseren Standorten reduzieren wir kontinuierlich unseren Energieverbrauch und setzen auf Ökostrom und Ökogas. Die Nutzung von Regen­wasser, Abwärme, Geothermie und regenerativ erzeugter Energie ist ebenso ein wesentliches Element wie die fast komplett bleifreie Produktion, das Recycling von Kunststoffen und die Umstellung auf CO₂-neutrale Mobilität.

Die umweltfreundliche Produktion schließt auch ein, Verschwendung zu vermeiden, was gleichermaßen für Verwaltung und Betriebstechnik gilt. Zudem werden die Schonung von Ressourcen und der Schutz von Umwelt und Klima bei der Entwicklung neuer Produkte berücksichtigt. Noch vor dem Jahr 2030 möchten wir unsere gesamte Wertschöpfungskette CO₂-neutral gestalten.

Wie schätzen Sie Ihren Markt für die nächsten zwei Jahre ein – Angesichts der aktuellen Gegebenheiten?
Wir leben in einer Zeit, die von einer großen Transformation der Wirtschaft und Gesellschaft geprägt ist. Die bestehenden Unwägbarkeiten in dieser VUCA-World (Anm.: ein Akronym aus den englischen Begriffen volatility, uncertainty, complexity und ambiguity) werden durch die Pandemie und den Krieg noch zusätzlich verschärft. Gleichzeitig sind wir fest davon überzeugt, dass wir die richtigen Strategien verfolgen und wir uns mit Engagement und Kompetenz auch weiterhin als gefragter Partner unserer Kunden beweisen. (red.)

www.phoenixcontact.com

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Über Phoenix Contact
Phoenix Contact ist ein Familienunternehmen mit Stammsitz in Deutschland. Zur Unternehmensgruppe gehören 15 deutsche und vier internationale Unternehmen sowie 55 Vertriebsgesellschaften in aller Welt. International ist Phoenix Contact in mehr als 100 Ländern präsent. In Österreich stehen den Kunden des Unternehmens rund 80 Mitarbeiter an drei Standorten (Wien, Linz und Graz) sowie direkt vor Ort als kompetente Ansprechpartner zur Verfügung.