Welche Industrien weiterhin ein Investment wert sind

NEW BUSINESS - NR. 9, SEPTEMBER 2022
Während die Inflation weiter steigt, sehen sich Notenbanken zu weiteren Zinsanhebungen gezwungen. © Adobe Stock/Lemonsoup14

Fallende Kurse und sinkende Konjunkturprognosen sorgen für Verunsicherung und die Angst vor einer schweren Wirtschaftskrise wächst. Wie Anleger nun am besten ihre Depots schützen.

Nach den Corona-Lockdowns folgten der Krieg in der Ukraine und die Energiekrise: Die weltwirtschaftliche Lage wird immer angespannter und die Börsen geben weiter nach. Zwar gab es in den vergangenen zwei Jahren ein starkes Wirtschaftswachstum, das insbesondere durch die Geldpolitik der Zentralbanken ermöglicht wurde, aber der Konflikt in der Ukraine und die dadurch bedingten Lieferengpässe von Nahrungsmitteln und Energie haben dem vorerst ein Ende gesetzt.

In einer so schwierigen Lage gibt es aus Anlegerperspektive selten Gewinner. Wie sich Investoren am besten auf die drohende Rezession einstellen und welche Industrien sich in der Vergangenheit als krisenresistent erwiesen haben, weiß Shanna Strauss-Frank, Österreich-Sprecherin der Investmentgesellschaft Freedom Finance.

So nah sind wir an einer Rezession
Die immer niedrigeren Prognosen und die ständig steigenden Preise schüren die Befürchtung, dass die wirtschaftliche Erholung nicht nur abflachen, sondern sogar enden könnte und die Wirtschaft erneut in eine Rezession gerät. Technisch gesehen handelt es sich dabei um zwei aufeinanderfolgende Quartale mit negativem Wirtschaftswachstum. Glücklicherweise ist diese Situation in Österreich derzeit noch nicht absehbar:

Im ersten Quartal 2022 wuchs das Bruttoinlandsprodukt (BIP) saisonbereinigt um 1,5 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Prognosen gehen derzeit zumindest in Österreich nicht von einer baldigen Rezession aus, wenngleich eine Stagnation im zweiten Halbjahr nicht auszuschließen ist. Allerdings könnte laut Strauss-Frank ein Stopp der Gaslieferungen aus Russland diese Prognosen schnell widerlegen und doch für eine Rezession sorgen. Die entwickelten Volkswirtschaften, von denen die globalen Prozesse in hohem Maße abhängen, sind aufgrund der hohen Inflation bereits in Schwierigkeiten geraten.

„In den USA beispielsweise lag der Erzeugerpreisindex im Mai bei 10,8 Prozent und damit auf dem höchsten Stand seit 35 Jahren, während in Österreich die Erzeugerpreise im produzierenden Bereich im Vergleich zum Mai letzten Jahres um 20,9 Prozent gestiegen sind, wodurch sich die Preisdynamik hierzulande zumindest erstmals seit Mai 2021 nicht weiter beschleunigt hat. Europa könnte aufgrund der steigenden Energiepreise und des Nachfragerückgangs bis Mitte des Herbstes in eine wirtschaftliche Rezession geraten“, erklärt Strauss-Frank.

Zentralbanken müssen reagieren
Regierungen und Anleger erwarten nun die Reaktionen der Zentralbanken. So hat die Europäische Zentralbank bereits den Leitzins angehoben, wenn auch weniger stark als die Fed, um die Inflation zu bekämpfen. Aber auch die EZB tat sich lange Zeit schwer mit diesem Schritt, weil er zwangsläufig das Wirtschaftswachstum bremst. Dennoch war der Schritt notwendig. Mehr als 60 Zentralbanken auf der ganzen Welt handeln inzwischen in ähnlicher Weise.

Neben den Zentralbanken sind auch die politischen Unwägbarkeiten mit einzukalkulieren: „Auch die Geopolitik wird eine große Rolle spielen, denn die aktuell hohe Inflation ist vor allem auf die hohen Preise für Energie, Rohstoffe und Nahrungsmittel zurückzuführen“, erklärt Strauss-Frank. Und gerade die Preissteigerungen in diesem Jahr sind stark vom Krieg zwischen Russland und der Ukraine abhängig. Wird der Krieg schnell beendet, könnten sich auch die Rohstoffmärkte schnell wieder entspannen. Zieht er sich hin, werden auch die Inflation und damit das Wirtschaftswachstum leiden.

Zombie-Aktien identifizieren und abstoßen
Was sollten Anleger also beachten? Zuerst die Spreu vom Weizen trennen und schwache Unternehmen aus dem Portfolio verbannen. Allgemein spricht man hier von Zombie-Unternehmen, die ihren gesamten Cashflow verwenden müssen, um ihre Schuldenlast zu bedienen und daher keine liquiden Mittel für Wachstum oder neue Investitionen vorhalten können.

Im schlimmsten Fall können Zombies noch nicht einmal mehr die eigene Zinslast aus eigenen Mitteln bestreiten und es werden externe „Finanzspritzen“ wie eine Kapitalerhöhung nötig. In einem ersten Schritt sollten Investoren die Zombies aus ihrem Portfolio schnellstmöglich entfernen, da die Wahrscheinlichkeit eines Konkurses recht hoch ist. 

Lebensmittelaktien und erneuerbare Energien bleiben als Anlage spannend. Eigentlich gibt es in Rezessionen keine Gewinner, aber manche Sektoren trifft es weniger hart als andere. Unabhängig von der wirtschaftlichen Lage werden Menschen zum Beispiel immer Lebensmittel kaufen müssen. Es mag zwar sein, dass ein Lebensmittelkonzern aufgrund des allgemein vorherrschenden Pessimismus und der negativen Grundhaltung des Markts auch einen kleinen Abschwung in Kauf nehmen muss, aber die Chancen einer Pleite sollten bei gut integrierten Konzernen sehr gering ausfallen.

Hier dürften Anleger zuversichtlicher bleiben. „Ein gut geführtes, vertikal integriertes Unternehmen, welches eine starke Performance in diesem Sektor aufweist, ist meiner Ansicht nach Fresh Del Monte [FDM], ein Händler von Obst und Gemüse. Über 43 Prozent der produzierten Waren werden bei diesem Konzern auf Feldern angebaut, die das Unternehmen direkt kontrolliert. Dabei ist die Aktie derzeit noch unterbewertet und unsere Analysten gehen hier von einem Kursaufschwung von bis zu 40 Prozent aus“, so Strauss-Frank.

Ein weiterer Sektor, der eine Rezession traditionell besser übersteht als andere, ist die Energieversorgungsindustrie. Strom ist ein unelastisches Gut, auf das Menschen angewiesen bleiben. Doch durch die gegenwärtigen Konflikte, die zu Lieferengpässe bei fossilen Energieträgern führen, steigen die Preise für die Stromerzeugung und -versorgung. Ein hoher Energie- oder Ölpreis führt dazu, dass Unternehmen nach alternativen Stromquellen suchen, Investitionen in erneuerbare Energien verhältnismäßig günstiger erscheinen und eine lokalere und damit eine Versorgung unabhängig der politischen Lage versprechen. 

Risikoallokation ist A und O in einer ­Rezession
Das Allerwichtigste im derzeitigen Markt­umfeld sei allerdings ein vernünftiges Risikomanagement und nicht das gesamte Kapital in wenige Aktien zu stecken: „Es ist besser, im Voraus festzulegen, welchen Anteil des Gesamtkapitals man für eine Anlage allokieren möchte und mindestens drei bis vier Einstiegspunkte zu bestimmen, um einen geeigneten Punkt zum Kauf zu finden“, weiß Strauss-Frank.

Während einer Rezession lässt sich teilweise sehr günstig ein branchenübergreifendes Portfolios aufbauen, denn gerade straft die Börse Technologie hart ab, wobei viele der Amazons, Googles oder Alibabas aufgrund ihrer marktbeherrschenden Stellung langfristig weiterhin attraktive Investments bleiben. Wer zurzeit auf genügend Kapital sitzt und dieses nicht kurzfristig benötigt, der kann in den kommenden Monaten in unterbewertete Marktteilnehmer investieren und dabei eine ausgewogene Portfoliostruktur beibehalten. (BO)


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Über Freedom Finance
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