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Mission unplugged.

NEW BUSINESS - NR. 2, MÄRZ 2021
In unserer ­digitalisierten, vernetzten Welt hätte bereits ein mehrstündiger IT-Ausfall für Betriebe erhebliche Folgen. © Adobe Stock/photoschmidt

Das europäische Stromversorgungssystem ist das größte und verlässlichste der Welt. Dennoch ist die Gefahr eines weitreichenden Stromausfalls größer als man vermutet ...

... Doch was passiert bei einem totalen Blackout und wie können sich Unternehmen darauf vorbereiten?

An einem kalten Februartag brechen in Europa alle Stromnetze zusammen. Der totale Blackout. Der italienische Informatiker Piero Manzano vermutet einen Hackerangriff und versucht, zu den Behörden durchzudringen – erfolglos. Als der Europol-Kommissar Bollard ihm endlich zuhört, werden dubiose E-Mails auf seinem Computer gefunden. Selbst unter Verdacht wird Manzano eins klar: Ihr Gegner ist ebenso raffiniert wie gnadenlos. Unterdessen liegt Europa im Dunkeln, und die Menschen stehen vor ihrer größten Herausforderung: Überleben.
Wer meint, in diesen Zeilen den Plot eines Science-Fiction-Thrillers zu erkennen, hat in diesem Fall vollkommen recht. In seinem Bestseller „Blackout – Morgen ist es zu spät“ aus dem Jahr 2012, beschreibt der gebürtige Wiener, Strategieberater, Kreativdirektor und Standard-Kolumnist Mark Elsberg die beklemmenden Szenen eines totalen Stromausfalls. Die potenziellen Täter: falsche Zeit und Desynchronisation. Die erfundene Geschichte beruht jedoch auf zahlreichen Fakten, die unsere – mittlerweile noch viel mehr – vernetzte Welt tatsächlich zum Erliegen bringen können.

Wie ein Störungsfall zum Kollaps führt
Zu dem weltweit größten bisher bekannten Stromausfall, der über 600 Mio. Menschen betraf, kam es 2012 in Indien. 2015 fiel in beinahe allen 81 türkischen Provinzen für ungefähr acht Stunden der Strom aus und ließ rund 76 Mio. Einwohner ohne Energieversorgung. Im Juni 2019 legte ein Stromausfall in Argentinien und Uruguay weite Teile des öffentlichen Lebens lahm. Und am 8. Jänner 2021 schrammte Europa und damit auch Österreich infolge einer Netzüberlastung in Südosteuropa knapp an der Katastrophe vorbei. Die Gefahr eines totalen Blackouts ist nämlich auch im europäischen Stromnetz trotz hoher Versorgungssicherheit nicht auszuschließen. Davon ist auch Herbert Saurugg überzeugt. Der Blackout-Experte und Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Krisenvorsorge (GfKV) beobachtet die steigende Fragilität des europäischen Verbundsystems bereits seit einigen Jahren – aus triftigen Gründen.
Zum Einen wurden durch die Strommarktliberalisierung ab der Jahrtausendwende die vormaligen Energieversorgungsunternehmen in einzelne Kraftwerks-, Netz- sowie Vertriebsgesellschaften aufgesplittet. Der sogenannte „Energy-only-Market“, der im Gegensatz zum Kapazitätsmarkt nur die tatsächlich erzeugte Energie und nicht die Bereitschaft zur Stromerzeugung vergütet, braucht definitionsgemäß keine Rücksicht auf physikalische und infrastrukturelle Voraussetzungen nehmen. Eine Freiheit, die ihren Preis hat. Denn dafür müssten grenzüberschreitende Lastflüsse von mindestens 70 Prozent ermöglicht werden, wofür das System nie gebaut wurde. Was im Alltag zu einer Kostensenkung beitragen kann, führt im Störungsfall zu einem raschen Kollaps des Gesamtsystems, weil dadurch die Rückfall­ebenen reduziert werden. Zum anderen gibt es immer wieder Vorfälle, bei welchen sich Stromhändler verspekuliert haben oder Wetterprognosen erheblich abgewichen sind. In einem System, in dem eine permanente Balance zwischen Erzeugung und Verbrauch sichergestellt werden muss, kann es zu einer Großstörung wie am 8. Jänner 2021 kommen – und im schlimmsten Fall zu einem großflächigen Zusammenbruch, wenn Sicherheitsmechanismen nicht schnell genug greifen.

Der Blackout und seine Folgen
Kein Licht, kein Kühlschrank, kein Fernsehen und ein leerer Handy-Akku. Ein Stromausfall sorgt bereits in den eigenen vier Wänden für zahlreiche Probleme. Ein weitreichender Blackout, der binnen Sekunden weite Teile Europas lahmlegen würde, hätte jedoch weitaus gravierendere Folgen als ein paar Stunden ohne Facebook und geschmolzenes Speiseeis. Mit dem Wegbrechen von Mobilfunk, Festnetz und Internet fielen so gut wie alle Infrastrukturleistungen aus bzw. wären nur äußerst eingeschränkt verfügbar. Bankomaten, Kassen, Geld- und Zahlungsverkehr, Ampeln, Tunnel, Bahnen, Tankstellen und in weiterer Folge die gesamte Versorgungslogistik mit Lebensmitteln und Medikamenten sowie Wasserver- und Abwasserentsorgung – all diese Selbstverständlichkeiten des modernen Lebens würden nicht mehr funktionieren. Ein Ausfall der Telekommunikationsinfrastrukturen, etwa durch einen Cyberangriff, könnte zu ähnlich weitreichenden Auswirkungen führen. Auch eine verschärfte Pandemie, wo zeitgleich sehr viele Menschen erkranken, würde absehbar zu massiven Versorgungsengpässen und -ausfällen führen, denn die effizienzgesteuerte Just-in-Time-Logistik der modernen Wirtschaft weist kaum noch Reserven und Rückfall­ebenen auf, um Infrastruktur- oder Personalausfälle zu kompensieren.

Präventionsmaßnahmen in Unternehmen
Gerade weil ein solches Szenario nicht zur Gänze vermieden werden kann, sollte man sich auf den Ernstfall vorbereiten. Mit Präventionsmaßnahmen im Bereich der IT und IT-Infrastruktur beschäftigen sich die Experten von EPS Electric Power Systems und MP2 IT-Solutions. Die beiden Unternehmen mit Waldviertler Standorten sind ebenfalls Mitglieder der GfKV. Gemeinsam mit Herbert Saurugg und der GfKV haben sie eine Blackout-Kampagne ins Leben gerufen, um Entscheidungsträger zu sensibilisieren und zu einer rechtzeitigen Planung von Maßnahmen zu animieren. „In unserer vernetzten, digitalisierten Informationsgesellschaft sind wir hochgradig von Daten und automatisierten Prozessen abhängig, die durch IT-Systeme gesteuert werden – und das quer durch alle Branchen. Auch innerhalb eines Unternehmens sind die wechselseitigen Abhängigkeiten einzelner Bereiche spürbar. Sorgt man hier nicht vor, würde ein länger andauernder überregionaler Stromausfall eine Kette an Folgeereignissen wie ein Dominostein in Gang setzen – mit erheblichen Folgeschäden“, erklärt die Inhaberin und Gründerin von MP2 IT-Solutions Gerlinde Macho.

Vorbereitung, Simulation und Notfallhandbücher als Orientierungshilfe
Krisenvorsorge braucht ihren festen Platz in allen Unternehmen jeglicher Größe und Branche. Fällt der Strom aus, ist die IT weg – und damit eine Vielzahl an gesteuerten Prozessen, Daten und Informationen. Um ein solches Szenario zu vermeiden, müssen organisatorische und technische Maßnahmen ergriffen werden. „Ein plötzlicher Stromausfall kann in der IT verheerenden Schaden anrichten, von Datenverlust bis zu beschädigten Geräten und Systemen. Deshalb braucht es Vorbereitung, Pläne und Simulationen“, erklärt Christoph Kitzler, Geschäftsführer und technischer Leiter von MP2 IT-Solutions. „In erster Linie muss geklärt werden, welche unverzichtbaren Komponenten beispielsweise mit Ersatzstrom weiterbetrieben werden können. Zudem braucht es Pläne für ein geregeltes Hinunterfahren und, wenn Strom wieder verfügbar ist, ein Wiederhochfahren der Systeme“, so der IT-Experte. Denn nur so könne sichergestellt werden, dass man schnell wieder handlungsfähig ist. IT-Notfallhandbücher halten Handlungsanweisungen fest, wie im Notfall zu reagieren und entscheiden ist. Sie sind ein bedeutender Leitfaden, wenn es gilt, rasch die richtigen Entscheidungen zu treffen. Das Vorgehen im Notfall sollte außerdem geprobt werden. „Testen und simulieren Sie den Notfall, zum Beispiel das Abschalten und Wiederhochfahren von Systemen – nur so können sie Schwachstellen analysieren und Prozesse optimieren“, erläutert Kitzler.

Systemverfügbarkeit und Stromversorgung im ­Serverraum
Aufgrund der zunehmenden Datenflut sind besonders IT-Services von Rechenzentren (RZ) und deren Betreibern stark darauf angewiesen, den Strom unterbrechungsfrei und stetig aufrechtzuerhalten. Ohne adäquate Sicherungsmaßnahmen stürzen Server und Rechner bereits binnen weniger Sekunden ohne Strom ab. Bei der Stromversorgung eines Serverraums steht die unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) im Mittelpunkt – denn die USV-Anlage gilt als eine der wichtigsten Schutzmaßnahmen für IT-Räume, Industrieanlagen und andere kritische Infrastrukturen. Das USV-System wird in die Stromzuleitung der zu sichernden Anlage eingefügt und garantiert bei kurzen Ausfällen Versorgungskontinuität.
Der Einsatz eines USV-Systems zusammen mit einer Netzersatzanlage (NEA) bzw. einem Diesel-Notstromaggregat nimmt zur Aufrechterhaltung der Verfügbarkeit im Serverraum, aber auch in Produktionsbetrieben stetig zu. Mit Diesel angetrieben, sorgt es im Falle eines Stromausfalls für die notwendige Ersatzenergie. Notstromaggregate übernehmen die komplette Energieversorgung des Systems und laden gleichzeitig den vorhandenen USV-Batteriespeicher auf. Je nach Anforderung der benötigten elektrischen Leistung, Auslegung der Tankanlage versorgt die NEA die zu versorgende Last für die definierte Zeitdauer. „Unsere Welt wird vernetzter und digitaler, daher ist die Anforderung nach Verfügbarkeit und Qualität der Stromversorgung wichtiger denn je. Präventive Vorkehrungen im Unternehmen helfen, die erforderliche Verfügbarkeit für betriebskritische und strategische Infrastrukturen in Notfällen aufrechtzuerhalten und damit gesellschaftliche sowie wirtschaftliche Negativfolgen zu mildern“, so Peter Reisinger, Vertriebs- & RZ-Projektleiter bei EPS.

Bewusstsein und Akzeptanz im ganzen Team
Aber: Nicht nur die Technik muss im Notfall funktionieren. Auch die Mitarbeiter in den Betrieben müssen mit an Bord geholt werden, um sich für den Extremfall vorzubereiten. Gerlinde Macho empfiehlt: „Bereiten Sie nicht nur Systeme, sondern auch Ihr Team auf einen Notfall vor. Fragen Sie sich Folgendes: Wissen alle, was im Notfall zu tun ist und wo das Notfallhandbuch – auch in Papierform – zu finden ist? Ist ihnen klar, ab wann davon ausgegangen werden kann, dass es sich bei einem Ausfall um einen überregionalen Blackout handelt? Beziehen Sie Ihr Team mit ein und schaffen Sie Bewusstsein sowie Akzeptanz.“ (BO)

INFO-BOX
Angaben einer USV richtig lesen: Watt kennt jeder, Voltampere ist schon eine weniger geläufige Angabe

Vor Beginn einer Anschaffung technischen Equipments steht immer die Bedarfserhebung. Das ist bei einer USV eigentlich nicht schwierig. Zählen Sie einfach die Watt-Angaben all ihrer Geräte zusammen, die gleichzeitig bei einem Stromausfall versorgt werden müssen. Damit haben Sie schon den entscheidenden Schritt getan, um festzustellen welche Leistung eine USV bereitstellen muss. Leider ist die Watt-Leistung nicht im Datenblatt einer USV angegeben. Dies ist USV-Herstellern auch nicht möglich, weil die tatsächlich verbrauchte Leistung eine sogenannte Blindleistung enthält und diese wird gemeinsam mit dem Watt-Verbrauch (der Wirkleistung) in VA (Voltampere), der Scheinleistung, angeben. Glücklicherweise ist bei modernen IT-Gerätschaften diese Blindleistung relativ gering, im Gegensatz zu Industriemaschinen wie z. B. Motoren, bei denen die Blindleistung gerne einmal die Hälfte des gesamten Stromverbrauchs (der Scheinleistung in VA) ausmacht (2.000 W Wirkleistung entsprechen dann 4.000 VA Scheinleistung). Diese 4.000 VA müssen also von der USV auch bereitgestellt werden (deshalb sind die Angaben bei einer USV auch immer in VA). Das Verhältnis von Wirkleistung zu Blindleistung nennt man Leistungsfaktor. Im genannten Beispiel des Motors beträgt er 0,5. Bei modernen IT-Geräten beträgt er in der Regel zwischen 75 % und 95 %. Da der Leistungsfaktor (cosinus phi) nicht immer im Datenblatt oder auf dem Gerät selbst angeben ist, sollte man von 0,75 cos phi ausgehen – damit ist man auf der sicheren Seite.