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Die Schlüssel zum Erfolg

NEW BUSINESS - NR. 10, OKTOBER 2022
Die Entscheidung für oder gegen eine neue Firmen­adresse setzt eine umfassende Analyse des Standorts voraus. © Adobe Stock/peshkova

Mangelnde Frequenz, Anrainerbeschwerden oder eine schlechte Verkehrsanbindung können eine neue Firmenadresse schnell alt aussehen lassen: Worauf Unternehmen bei der Herbergssuche ...

... sorgsam achten sollten und was der Wirtschaftsstandort Österreich bieten kann und verbessern muss.

„Erstens: die Lage – zweitens: die Lage und drittens: die Lage!“ Das berühmte Zitat des US-amerikanischen Hoteliers Conrad Hilton hat sich als „Lage, Lage, Lage“ mittlerweile zum „Mantra“ der Immobilienwirtschaft entwickelt. Zu Recht, zählt sie – die Lage – doch zu den wesentlichsten wertbestimmenden Merkmalen einer Immobilie, egal ob es sich um ein öffentliches Gebäude, ein Wohn- oder Gewerbeobjekt handelt.

Wer ein Unternehmen gründet, expandiert oder den Standort verlegt, sollte jedoch im Vorfeld unterschiedlichste Vor- und Nachteile der neuen Location sorgsam abwägen. Dazu gehören auch viele betriebswirtschaftliche Faktoren, die in der Praxis nur allzu leicht vernachlässigt werden.

Die langjährige Unternehmensberaterin und Berufsgruppensprecherin der Wiener Wirtschaftskammer, Claudia Strohmaier, weiß, worauf Betroffene in der Praxis besonders achten sollten, denn: „Fehler bei der Standortwahl lassen sich im Nachhinein oft nur mühsam korrigieren. Deshalb sollte man bei dieser langfristigen Entscheidung im Vorfeld eine umfassende betriebswirtschaftliche Analyse vornehmen, die sehr viele interne und externe Faktoren berücksichtigt.“

Bereits vor der Standortentscheidung über Förderungen informieren
Wer eine passende Gewerbeimmobilie gefunden hat, sieht sich in weiterer Folge meist auch nach Förderungen um. Da die Unterstützungen von Bundesland zu Bundesland zuweilen stark variieren, empfiehlt es sich, in gewissen Branchen auch den umgekehrten Weg zu gehen: sich zuerst über Förderungen informieren und dann erst die Standortwahl treffen.

Die Wirtschaftskammer bietet eine umfangreiche Förderdatenbank, wobei in der Unternehmensberatungspraxis bereits bei der Erstellung des Businessplans darauf Bedacht genommen wird, um das jeweilige Maximum an Unterstützungen voll auszuschöpfen. In Wien bietet beispielsweise auch die Wirtschaftsagentur Wien eine gute Übersicht über Landesförderungen. 

Pachthöhe, Miete oder Kaufpreis in den Produkten einkalkulieren
Die Anforderungen an einen Standort gehen je nach Geschäftszweig oft weit auseinander. Wer auf starke Kundenfrequenz angewiesen ist, ist in dicht besiedeltem Gebiet oder Einkaufszentren bzw. Einkaufsstraßen wohl am besten bedient. Wer wiederum teure Markenprodukte im Schaufenster hat, wird in Innenstadtlagen oder Nobelvierteln am meisten Kundenpotenzial vorfinden. Allerdings ist das auch immer eine Frage der Immobilienpreise.

„Ganz gleich, ob eine Gewerbeimmobilie gemietet, gekauft oder ein bestehender Betrieb gepachtet wird – die Berücksichtigung dieser Gemeinkosten in den Verkaufspreisen der Produkte oder Dienstleistungen ist ein wichtiger Faktor, damit sich ein Geschäftsmodell auch rechnet“, erklärt Strohmaier. Auch eine sorgfältige Analyse der bestehenden Konkurrenzsituation in der Nähe der eigenen Immobilie ist je nach Branche sehr zu empfehlen. 

Besondere Genehmigungen bei Lärm, Geruch oder Rauch
Wer einen neuen Produktionsbetrieb errichten will, sollte sich in der Regel eher günstige Grundstücke am Stadtrand oder in Industriegebieten suchen. Allerdings bedürfen gewisse Betriebsanlagen einer besonderen Genehmigung, vor allem wenn diese mittels Lärm, Geruch, Rauch oder auf andere Art und Weise die Nachbarn verärgern oder die Umwelt beeinträchtigen könnten.

„Manchmal ist die Übernahme einer bestehenden Anlage daher der unkompliziertere Weg, sofern diese Genehmigungen bereits vorliegen. In diesem Fall sollte man allerdings auch den Grund für die Weitergabe der Immobilie sehr genau hinterfragen und bei unplausiblen Argumenten besonders penibel nach potenziellen Schwachstellen suchen“, mahnt Strohmaier. 

Anbindung an „Infrastrukturen des 21. Jahrhunderts“
Ein immer wichtigerer Faktor bei der Standortwahl ist auch eine gute Verkehrsanbindung. Das gilt nicht nur für Produktionsbetriebe, die einen reibungslosen An- und Abtransport ihrer Waren gewährleisten müssen, sondern auch für den Wettlauf um die besten Mitarbeiter am Arbeitsmarkt. War früher ein möglichst großer Parkplatz und ein gut ausgebautes Straßennetz in der Nähe ein attraktiver Magnet, punkten heute Standorte eher damit, wenn Bahnhöfe oder Straßen- und Bushalte­stellen bequem zu Fuß erreicht werden können.

Auch eine schnelle Glasfaseranbindung gehört zu den gefragten Infrastrukturen des 21. Jahrhunderts und ist außerhalb von Ballungszentren wie Wien noch nicht in allen Regionen Österreichs eine Selbstverständlichkeit. 

Erstellung eines Zukunftsplans vor der Übersiedlung
Unternehmen, die stark expandieren und denen der alte Standort daher allmählich zu klein wird, finden in der Nähe manchmal keine geeigneten Grundstücke, um ihren Betrieb auszubauen. Auch das führt nicht selten dazu, dass sich Unternehmen auf die „Herbergssuche“ nach einem geeigneten Ersatz begeben. Zu beachten ist, dass die Standortverlegung an die zuständige Gewerbebehörde gemeldet werden muss.

In Wien ist dies der Magistrat, in kleineren Gemeinden in der Regel die Bezirkshauptmannschaften. Vor der Standortverlegung ist zudem die Erstellung eines Zukunftsplans und die genaue Analyse des neuen Areals von zentraler Bedeutung. Nicht zuletzt deshalb, um zu verhindern, dass in ein paar Jahren neuerlich ein Ortswechsel zum Thema wird. 

390 internationale Headquarters
In Anbetracht dieser Kriterien sollte die endgültige Entscheidung für einen Firmenstandort keinesfalls leichtfertig getroffen werden. Die gute Nachricht: Unternehmen finden gerade hierzulande ein reichhaltiges Angebot, von einer Adresse in einem der vielen aufstrebenden Businessparks und Industrieviertel über moderne Coworking-Spaces bis hin zum edlen Innenstadtquartier u. v. m.. Der gute Ruf des Wirtschaftsstandorts Österreich ist sogar weit über die Landesgrenzen hinaus zu hören.

Große Namen wie Boehringer Ingelheim, Henkel, Takeda oder BMW Group sprechen für sich: Österreich ist als Standort für internationale Unternehmens-Headquarters ungebrochen attraktiv und behauptet seine Position als Drehscheibe und ideale Ausgangsbasis für Tochtergesellschaften in ost- und westeuropäischen Ländern, den USA und Asien.

Aktuell haben insgesamt 390 internationale Unternehmen in Österreich ihre regionalen und Bereichs-Divisions-Headquarters aufgeschlagen, allen voran 129 Unternehmen mit deutscher Muttergesellschaft. Dies ergab eine aktuelle Untersuchung im Rahmen des Forschungsprojektes „Headquarters in Austria“ unter der Federführung des Instituts für International Business an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU Wien).

Österreich wird aber auch von Ländern außerhalb der EU, wie der Schweiz, und außereuropäischen Ländern wie den USA als strategischer Standort gesehen: Je 35 Unternehmen aus den beiden Ländern haben Headquarters in Österreich. Auch Frankreich (20 Headquarters) und Großbritannien (17 Headquarters) sind stark vertreten.

„Headquarters bringen eine hohe Wertschöpfung, ziehen Folgeinvestitionen an, stärken Forschung und Entwicklung und sind wichtige Arbeitgeber,“ so der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Martin Kocher, „eine Kombination von Vorteilen, durch die der Wirtschafts- und Arbeitsstandort Österreich maßgeblich gestärkt wird.“

Im Durchschnitt besitzen internationale Headquarters in Österreich Niederlassungen in 5,5 Ländern, 85 Prozent sind KMU und beschäftigten weniger als 500 Mitarbei­ter:innen. Bei weitem gefragtester Standort für Firmenzentralen ist die Hauptstadt Wien mit 180 Headquarters, gefolgt von den Landeshauptstädten Salzburg und Linz mit je 15 Headquarters.

„Österreich macht seinem Ruf als einer der führenden europäischen Standorte für Headquarters internationaler Unternehmen weiterhin alle Ehre – und zwar nicht nur für große Multinationals (MNU), sondern vor allem auch für zahlreiche internationale KMU“, freut sich René Tritscher, Geschäftsführer der Austrian Business Agency (ABA).

Österreich als internationale Drehscheibe mit ­nachhaltigem Potenzial
Das deutsche Unternehmen Henkel CEE trägt von Österreich aus die Verantwortung für 32 Länder in Mittel- und Osteuropa sowie in der Region Zentralasien-Kaukasus. Die Osteuropa-Zentrale befindet sich in Wien. Henkel hält in der Region eine führende Marktposition in den Geschäftsbereichen Laundry & Home Care, Adhesive Technologies und Beauty Care.

Österreich und insbesondere Wien sind jedoch nicht nur als Headquarters-Standort mit Zugang Richtung Osten und Süden – für Tochtergesellschaften in Ungarn, der Tschechischen Republik, der Slowakei, Rumänien und Italien – besonders gefragt. Auch Richtung Westeuropa und insbesondere Deutschland ist Österreich als Headquarters-Standort von Unternehmen anderer Länder der ideale Standort: 141 der 390 Headquarters in Österreich haben im Nachbarland Deutschland eine Tochtergesellschaft. Dank der bisher gewonnenen Kompetenzen konnte jedoch die Marktführerschaft bei CEE-Zentralen erhalten und zusätzliche Segmente entwickelt bzw. ausgebaut werden.

Die Bundeshauptstadt ist auch Zentrum der Krebsforschung von Boehringer Ingelheim und trägt als Regional Center Vienna (RCV) die Geschäftsverantwortung für 33 Länder – von Mittel- und Osteuropa über Zen­tral­asien und die Schweiz bis hin zu Israel. Nach der Eröffnung einer hochmodernen Anlage zur Produktion biopharmazeutischer Wirkstoffe in Wien im Oktober 2021 – die bislang größte Einzelinvestition in der Unternehmensgeschichte – gab Boehringer Ingelheim im Jahr 2022 erneute Großinvestitionen bekannt. Rund 60 Mio. Euro fließen in die Errichtung eines neuen Forschungsgebäudes am Wiener Standort.

Mit einer Investition von 1,2 Milliarden Euro am Standort Niederösterreich sollen bis 2026 800 neue Arbeitsplätzen geschaffen werden. Für die neue Produktionsstätte musste aus Platzgründen – der Boehringer Ingelheim Campus in Wien ist weitgehend belegt – ein neuer Standort gesucht werden. Bruck an der Leitha überzeugte mit vielen Vorteilen, etwa einer guten Verkehrsanbindung, der Nähe zu Wien, aber auch mit positiven Umweltaspekten.

Die Errichtung eines Biomassekraftwerks am Werksgelände, die Anbindung an einen angrenzenden Windpark sowie eine nahe gelegene Biogas-Anlage sorgen zusammen mit einer Photovoltaikanlage dafür, dass die neue Produktionsstätte vom ersten Tag an ausschließlich aus klimaneutralen Energiequellen versorgt wird. Die Planer setzen zudem auf eine Minimierung des Bodenverbrauchs bzw. der Bodenversiegelung. Begrünte Dächer und Parkplätze mit Versickerungsflächen sollen die Nachhaltigkeit des Standorts zusätzlich gewährleisten. 

Wirtschaftsstandort unter Druck
Trotz all der positiven Standortfaktoren ortet der „Deloitte Radar 2022“ einiges an Luft nach oben. In jene Studie, die jährlich die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Österreich untersucht, fließen die Einschätzungen von mehr als 230 befragten heimischen Führungskräften sowie die analysierten Indizes globaler Rankings ein. Bei Betrachtung der Rankings ist zu erkennen, dass die Alpenrepublik seit Jahren nur die Plätze 15 bis 20 einnimmt.

Im wichtigsten Ranking, dem World Competitiveness Index (IMD), liegt Österreich global auf Platz 19, im Europavergleich auf Platz 11. In Europa belegen die Schweiz, Schweden und Dänemark die ersten drei Ränge. Sie punkten mit einer umfassenden Digitalisierung und einer geringeren Steuerbelastung der Unternehmen. „Damit Österreich wettbewerbsfähig und für Investoren attraktiv bleibt, muss es unser Ziel sein, es in den nächsten fünf Jahren unter die Top-5-Länder in Europa zu schaffen. Wir müssen uns an den Besten messen“, betont Harald Breit, CEO von Deloitte Österreich.

Hierzulande überwiegen derzeit aber die Sorgenfalten. Während im Spätsommer 2021 noch 86 Prozent die Stimmung im Management positiv bewertet haben, teilen aktuell nur mehr 52 Prozent diese Meinung. Ein Fünftel schätzt die Stimmung sogar als (sehr) negativ ein. In der Belegschaft sowie unter den Kunden und Lieferanten zeigt sich ein ähnlich pessimistisches Bild.

„Die Besorgnis hat in den Unternehmen seit Beginn des Krieges gegen die Ukraine spürbar zugenommen. Wir laufen Gefahr, dass sich dieser Pessimismus verfestigt und zu einer Abwärtsspirale wird – der Hut brennt am Standort Österreich, es muss dringend gegengesteuert werden“, warnt Breit.

Die Situation am Arbeitsmarkt wird von den Unternehmen ebenso kritisch gesehen. Für die Verfügbarkeit von Fachkräften vergeben 69 Prozent die Noten „Genügend“ oder „Nicht genügend“, nur 3 Prozent bewerten diese mit einem „Gut“. Die Flexibilität des Arbeitsmarktes beurteilen lediglich 16 Prozent als „Gut“ oder „Sehr gut“. Einigkeit herrscht beim Thema Integration von Geflüchteten: Beinahe alle befragten Unternehmen fordern hier verstärkte Anstrengungen und Vereinfachungen.

Auch bei der vielgelobten Lebensqualität muss Österreich Einbußen verzeichnen. Beim Vergleich der Umfrage­ergebnisse vor der Pandemie mit den aktuellen sieht man, dass die Zufriedenheit mit dem Gesundheitssystem und dem sozialen Zusammenhalt in den letzten zwei Jahren jeweils um 20 Prozentpunkte gesunken ist. Der Standort zeigt sich zwar resilient, dennoch herrscht laut den Befragten dringender Handlungsbedarf:

„Die heimische Wirtschaft hat fünf zentrale Forderungen: Senkung der Steuern zur Entlastung der Unternehmen, Förderung von Forschung und Innovationen, Umbau des Energiesystems, Flexibilisierung des Arbeitsmarktes sowie die stringente Bekämpfung der Pandemie“, fasst Harald Breit zusammen. „Es gibt viel zu tun und jetzt ist Leadership gefragt.“ (BO)


INFO-BOX I
Förderungen finden
Für Unternehmen gibt es verschiedenste Förderungen von Bund, Ländern, Gemeinden, EU und Wirtschaftskammern. Je nach Betriebsphase – wie beispielsweise Gründung, Übernahme, Innovation und Forschung oder Unternehmenssanierung – stehen verschiedene Förderinstrumente zur Verfügung. Die Experten der Wirtschaftskammern unterstützen dabei, die passenden Förderungen für die jeweilige Unternehmenssituation zu finden.
wko.at/service/foerderungen.html

INFO-BOX II
Scoring-Modell offenbart, welches Potenzial in Standorten steckt
Wer auf einen Blick erkennen will, welches Potenzial in seinen Standorten steckt, ist mit dem Scoring-Modell von WIGeoGIS gut beraten. Sowohl die Desktop-Software QGIS als auch WIGeoStandort, die Software für die Web-Anwendung, führen Scoringanalysen zum Beispiel von Einzelhandelsfilialen oder anderen Geschäftsstandorten durch. Als Ergebnis werden Standorte mit einem Gesamt­score versehen. Diese Zahl gibt an, wie hoch das Potenzial der Standorte ist.

Ein Beispiel: Eine Coffeeshop-Kette mit zehn Filialen in Wien will eine weitere Filiale eröffnen. Zur Auswahl stehen drei Standorte. Im ersten Schritt definieren die Verantwortlichen jene Standortfaktoren, die für ihr Geschäft wichtig sind, und gewichten sie: Die Anzahl der Menschen, die im definierten Einzugsgebiet rund um den jeweiligen Standort leben und arbeiten, werden zum Beispiel mit 50 Prozent gewichtet, die optimale Anbindung an den öffentlichen Verkehr ­erhält 30 und die stationäre Kaufkraft 20 Prozent. Jetzt werden die Score-Werte der einzelnen Standortfaktoren in der GIS-Software berechnet. Die Summe ­ergibt einen Gesamtscore pro Filiale. Weist einer der drei Standorte den Score-Wert 7 auf, während die anderen nur einen Score von 5 bzw. 3 haben, steht der neuen Filiale an diesem Standort nichts im Weg.
www.wigeogis.com