Viel Leistung mit wenig Kabel

NEW BUSINESS Innovations - NR.11, DEZEMBER 2020/JÄNNER 2021
T1-Industrial-style-Gerätebuchsen sparen Platz und ermöglichen so den sinnvollen Einsatz in kleinsten Gehäusen und Geräten. © SPE Industrial Partner Netzwerk

Single Pair Ethernet gilt als der nächste Meilenstein der Netzwerktechnologie. Das haben die Hersteller erkannt und dazu Allianzen bzw. Netzwerke gebildet ...

... um die Technologie zu fördern und einheitliche Standards zu etablieren.

Single Pair Ethernet, kurz SPE, ist zum dem Megatrend der industriellen Datenübertragung geworden. Der Anstoß dafür kommt aus der Automobilindustrie. Um die Fahrzeuge leichter und damit wirtschaftlicher zu machen, ist eine effizientere Kabelinfrastruktur erforderlich, die mit möglichst wenig Kabel viel leistet. Aber auch in vielen industriellen Anwendungen ist die aktuelle Ethernet-Technik zu aufwendig und überdimensioniert. So sind zum Beispiel die aktuellen RJ45-Steckverbinder und Ethernet-Kabel für den Anschluss einfacher Sensorikkomponenten in der Feldebene kaum geeignet. Eine Kapselung bis zum Sensor ist aufwendig, teuer und oft schon aus Platzgründen nicht machbar. Hinzu kommen die Notwendigkeit einer zwei- oder vierpaarigen Verkabelung sowie die maximale Leitungslänge von 100 m.
Abhilfe schafft das Single Pair Ethernet als vereinfachter Ethernet-Standard, der bewusst nicht die hohen Datenübertragungsraten der IT-Welt erreicht, dafür aber große Leitungslängen mit kompakter Bauform und einfacher, robuster Verkabelung kombiniert. Sämtliche Industriebereiche können von der SPE-Technologie profitieren, denn im Anlagenfeld steigt die Zahl der intelligenten Endgeräte deutlich. SPE ermöglicht eine durchgängige Verbindung vom Sensor bis zur Cloud – und das praktisch in jeder Anwendung: ob in der Industrie, in der Logistik, in der Gebäudetechnik etc., Daten können gesendet und empfangen werden.

Herzensangelegenheit
Um SPE als Standard weiter zu verankern, wurde im Rahmen der Hannover Messe 2019 das SPE Industrial Partner Network als Partnerschaft von Harting, TE Connectivity, Hirose, Würth Elektronik, Leoni, Murrelektronik und Softing IT Networks gegründet, das erster Ansprechpartner in allen Fragen und Belangen um den Aufbau von SPE-Netzwerken und Geräten sein will. Die Gründungsmitglieder sprechen sich geschlossen für die von der ISO/IEC JTC 1/SC 25/WG 3 und TIA42 im Jahr 2018 festgelegte Schnittstelle T1 Industrial nach IEC 63171-6 als einheitliches Media Depended Interface (MDI) aus. Für die zuverlässige Etablierung des gesamten zukünftigen SPE-Ecosystems werden auch Standards für Übertragungsprotokolle, Verkabelung und Gerätekomponenten gemeinsam unterstützt. Daher stehen alle Mitglieder des Partnerprogramms sowie auch die ISO/IEC JTC 1/SC 25/WG 3 in engem Austausch und intensiver Zusammenarbeit mit IEEE 802.3 und IEC SC46C für einheitliche Übertragungsstandards und Kupferdatenkabel.

Gründungsmitglied Murrelektronik will als Verbindungsspezialist für die elektrische Installation von Maschinen und Anlagen die Technologie mit Blick auf die zukünftigen Herausforderungen in der Automatisierung voranbringen. Jürgen Zeltwanger, Geschäftsführer bei Murrelektronik, ist von der Entwicklung überzeugt: „Wir erreichen mit SPE eine durchgängige Kommunikation auf der Basis von Ethernet – von der Cloud oder der Steuerung über Switches bis zu den Sensoren und Aktoren. Das liegt uns als Verbindungsspezialist natürlich am Herzen.“

Murrelektronik sieht das Potenzial von SPE, in der Verbindung mit den heutigen Ethernet-basierten Feldbusprotokollen wie PROFINET, Ethernet/IP (und den zukünftigen wie OPC UA TSN-FLC) zur physikalischen Plattform für hochmoderne Installationskonzepte zu werden.

Paarweise
Ein weiterer Unternehmenszusammenschluss, um SPE weiter voranzutreiben und in angrenzende Bereiche einzuführen, hat sich im Frühjahr 2020 gebildet. Die SPE System Alliance wurde von Phoenix Contact, Weidmüller, Reichle & De-Massari (R&M), Fluke Networks sowie Telegärtner gegründet. Mittlerweile sind der System Alliance auch Dätwyler, Kyland, Microchip Technology, Rosenberger, Sick, O-Ring, Draka/Prysmian Group und University4Industry beigetreten. Die Mitglieder der SPE System Alliance haben das Ziel, den eigenen Know-how-Aufbau für die SPE-Technologie zu beschleunigen und darüber eine schnellere und zuverlässigere Implementierung in ihre Produkte zu ermöglichen.

Gemeinsam mit Reichle & De-Massari und Weidmüller entwickelt etwa Phoenix Contact geschützte und ungeschützte Steckgesichter für einpaarige und vierpaarige Leitungen. Das sogenannte Mice-Modell beschreibt deren mechanische Robustheit (M1 bzw. M2/3), IP-Schutz (I1 bzw. I2/3), chemische und klimatische Resistenz (C1 bzw. C2/3) sowie die elektromagnetische Sicherheit (E1 bzw. E2/3). Die kompakten Steckgesichter eignen sich ideal zur effizienten Verkabelung zahlreicher Kommunikationsteilnehmer – entweder über ein einzelnes Aderpaar oder über vier Aderpaare für vier Teilnehmer, die sich eine gemeinsame Leitung und Schnittstelle teilen. Dank der gemeinsamen Schnittstelle können ein- und vierpaarige Verkabelungskonzepte ebenso miteinander gemischt werden wie IP20- und IP6x-Lösungen. Mögliche Anwendungen sind das Aufsplitten achtadriger Verkabelungskonzepte in vier einzelne SPE-Stränge für vier unterschiedliche Kommunikationsteilnehmer oder das Bemessen einzelner Paare innerhalb der achtadrigen Geräteschnittstellen. Die Zweidrahttechnologie erlaubt zudem die anwendungsgerechte Versorgung der Endgeräte mit Leistungen bis zu 60 Watt über das gleiche Aderpaar (Power over Data Line – PoDL).

Aber der Blick der SPE System Alliance ist dabei nicht nur auf Einzelaspekte wie die Anschlusstechnik fokussiert. Es geht auch um Fragenstellungen und Herausforderungen, die im Zusammenhang mit SPE bei vielen Marktteilnehmern nach wie vor bestehen. Regelaustauschformate und gemeinsame Projektaktivitäten bieten Raum für enge Kooperationen. Die Mitglieder arbeiten bereits in ersten Subcommunities zusammen, unter anderem in den Bereichen der Anschlusstechnik, Normung, SPE-Use-Case-Beschreibung oder auch für Kabellösungen. Durch die breite Aufstellung der SPE System Alliance werden bereits eine Vielzahl von Anwendungsfällen und Applikationsfeldern wie Automotive, Building Automation, passive Industrieverkabelung oder Sensorik abgedeckt. (BS)

www.singlepairethernet.com
www.single-pair-ethernet.com
www.murrelektronik.de
www.phoenixcontact.com