Investitionen statt Steuern!

NEW BUSINESS Innovations - NR.11, DEZEMBER 2019/JÄNNER 2020
FEEI-Geschäftsführer Lothar Roitner (li.) mit „seinem“ Obmann und Siemens-Österreich-Chef Wolfgang Hesoun (re.) © RNF

Kurz vor Weihnachten ist es an der Zeit, Wunschzettel auszufüllen und ins Fenster zu stellen. Etwas in der Art hat im Dezember auch der FEEI getan ...

... und einen ­Forderungs- und Maßnahmenkatalog an die künftige Bundesregierung präsentiert.

Ob in den Bereichen Forschung & Entwicklung, Ar­beit & Bildung, Infrastruktur & Mobilität, Klima & Energie, der rasant fortschreitenden Digitalisierung oder hinsichtlich klarer strategie­politischer Zielsetzungen in der Industriepolitik: „Auf die künftige Bundesregierung kommen aus der Sicht der Elektro- und Elektronikindustrie in der nächsten Legislaturperiode viele neue, aber auch altbekannte Herausforderungen zu. Diese erfordern in den nächsten fünf Jahren entschlossenes politisches Handeln, damit der Standort Österreich auch weiterhin international auf diesem hohen Niveau mitspielen kann“, eröffnete Lothar ­Roitner, Geschäftsführer des Fachverbands der Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI), Anfang Dezember die Runde in den ­Wiener Räumlichkeiten der Interessen­vertretung.
Wolfgang Hesoun, seit Juli 2019 Obmann des FEEI und in dieser Funktion Nachfolger der langjährigen Obfrau Brigitte Ederer, startete dann auch mit dem dringlichsten „Weihnachtswunsch“, wenngleich dieser nicht Teil des offiziellen Katalogs ist: „Die wichtigste Forderung ist, dass wir eine Regierung bekommen – und das möglichst bald.“
Hesoun stellte der heimischen und europäischen Industrie im Folgenden ein sehr gutes Zeugnis aus: „Unsere Chance, um als Industriestandort in Zukunft zu reüssieren, ist die Digitalisierung. Nicht das, was man als Datensammeln sieht, sondern die Digitalisierung der Industrie. Wenn es um die Automatisierung und Digitalisierung der Produktion geht, sind wir Weltspitze und den Amerikanern und Chinesen um Jahre voraus. Damit es so bleibt, bedarf es aber gewisser Rahmenbedingungen.“

Klimastrafen vorab investieren
Die Klimapolitik und die Klimaziele werden im industriellen Umfeld oft als Hindernis gesehen. Umgekehrt könnten sie aber auch zu einer großen wirtschaftlichen Chance für Österreich und die heimische Industrie werden. „Wir müssen das Potenzial der Digitalisierung für die Energieeffizienz nutzen und unsere Elektrizitätsinfrastruktur dementsprechend mit Smart Grids und intelligenten Speichersystemen ausstatten. Die Förderung von Forschung und Entwicklung dieser Technologien muss verstärkt werden. Hier braucht es steuerliche Anreize für die Bereiche Gebäude, Verkehr und die Industrie statt eines Verpflichtungssystems“, so Wolfgang Hesoun, im „Brotberuf“ Vorsitzender des Vorstands der Siemens AG Österreich. Österreich sei hier im internationalen Vergleich sehr gut aufgestellt, wie das Beispiel Smart City Seestadt Aspern beweist. Die künftige Regierung müsse Rahmenbedingungen schaffen und sich dafür einsetzen, damit sich Österreich als Leitmarkt für diese Technologien positionieren kann. „Wenn unsere bereits vorhandenen Umwelttechnologien weltweit entsprechend eingesetzt werden, würden wir den Klimazielen viel schneller viel näher kommen“, so Hesoun weiter.
In Hinblick auf das Erreichen der Klimaziele machte Wolfgang Hesoun einen sehr interessanten Vorschlag: Nachdem es nicht absehbar sei, dass mit den aktuellen Investitionen die gesetzten Klimaziele erreicht werden könnten, könnte man die zu erwartenden Strafzahlungen doch mittels Zwischenfinanzierung schon vorab sinnvoll investieren. Der Siemens-Manager stellte die Frage in den Raum: „Was spräche dagegen, anstatt von neuen Steuern zu reden, die Strafen, die in zehn Jahren ­anfallen würden, heute zu investieren?“ Hesoun weiter: „Wir sollten in jene Bereiche investieren, mit denen nachweislich eine CO2-Ersparnis zu erzielen ist.“ Er zählte unter anderem Elektromobilität und in Verbindung damit Ladestationeninfrastruktur dazu, ebenso wie Investitionen in erneuerbare Energien oder die Effizienzsteigerung bestehender Versorgungs­netze, wo noch Potenzial zu heben sei. Das wäre nicht nur eine Möglichkeit, die Klimaziele zu erreichen, sondern auch Investitionsschübe zu erzielen, so Hesoun.
„Wir müssen in Österreich die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass wir schon lange identifizierte Wachstums­treiber wie Elektromobilität und automatisiertes Fahren wirtschaftlich nutzen können.“ Er appellierte an die künftige Bundesregierung, die Infrastruktur regelmäßig zu modernisieren, um den Anforderungen eines modernen Lebens und eines zukunftsfähigen Wirtschaftsstandorts zu entsprechen. Gleichzeitig müsse die Schienen- und Bahninfrastruktur weiter ausgebaut werden und intelligente Lösungen bei der Intermodalität des Verkehrs implementiert werden. Dies könne zur Chance für Österreichs innovative und exportorientierte Bahnindustrie werden und Österreich als Bahnland Nummer eins in Europa und als wichtigen Logistikstandort weiter stärken.

Klare, strategische Industriepolitik
Akuten Handlungsbedarf sieht der Verband FEEI besonders hinsichtlich klarer strategiepolitischer Zielsetzungen in Österreich und Europa. Diese Technologien müssen in Österreich und Europa gehalten werden, und eine Abwanderung des Know-hows muss verhindert werden. „Wir sehen uns damit konfrontiert, dass Drittstaaten wie die USA und China klare strategiepolitische Zielsetzungen verfolgen, um die Kontrolle über Schlüsseltechnologien zu erlangen und zu halten – auch in Europa. Wir müssen uns darauf konzentrieren, dass wir unsere digitale Führungsrolle dort behaupten, wo wir sie vor allem in der Industrie haben. Wir müssen endlich in Österreich und Europa eine selbstbewusste Industriepolitik entwickeln und bereits vorhandene strategiepolitische Instrumente zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit umfassender etablieren, damit Europa seine globale Handlungsfähigkeit erhalten kann. Das muss von der künftigen Bundesregierung vollumfänglich mitgetragen werden“, so der FEEI-Obmann.
Aus der Sicht des FEEI bedarf es ebenso dringend fairer Rahmenbedingungen, damit österreichische und europä­ische Unternehmen keine Nachteile im internationalen Wettbewerb erleiden. „Wenn Anbieter aus Drittländern Zugang zum europäischen Markt haben, muss das für ­Unternehmen aus Europa in diesen Ländern ebenfalls ­gelten“, so Hesoun weiter. Der FEEI fordert hier auch, dass dafür dienliche Gesetzesmaterie wie die Erweiterung des Außenwirtschaftsgesetzes um Untersagungsgründe, die unter der letzten Bundesregierung ausgearbeitet wurde, nun rasch umgesetzt wird. Ebenso müssten eine strengere Investitionskontrolle gemäß dem Vorschlag der EU-Kommission auf nationaler Ebene sowie ein echtes Bestbieterprinzip bei öffentlichen Auftragsvergaben umgesetzt werden.

Wachstumsbremse Fachkräftemangel
Auch in der Elektro- und Elektronikindustrie sind gut ausgebildete Fachkräfte eine wichtige Voraussetzung dafür, um das volle Innovationspotenzial der Branche auszuschöpfen. Was auch für andere Branchen gilt, gilt umso mehr auch hier: Laut FEEI-Geschäftsführer Lothar Roitner wird der Fachkräftemangel immer mehr zum Hemmnis für Wachstum und technologische Innovation in Österreich: „Wir sind als Elektro- und Elektronikindustrie vom mittlerweile ­dramatischen Fachkräftemangel in technischen Berufen besonders betroffen. Uns gehen die hoch qualifizierten Arbeitskräfte aus, denn die Digitalisierung erfordert exorbitant mehr gut ausgebildete Fachkräfte als noch vor einigen Jahren. Die haben wir schlicht nicht. Die künftige Bundes­regierung muss diesem Umstand entgegenwirken, sonst werden wir als Standort in der Digitalisierung auf der ­Strecke bleiben.“
Das aktuelle Bildungssystem in Österreich begünstige ­diesen dramatischen Umstand, denn es bringe zu wenige naturwissenschaftlich und technisch interessierte Absolventen hervor. Vom Pflichtschulbereich bis zu den Hochschulen müssten von der künftigen Bundesregierung dringend notwendige Reformen angestoßen werden und begrüßenswerte Entwicklungen unter der letzten Regierung (z. B. die Einführung des Fachs Digitale Grundbildung) intensiviert werden. „Das verstärkte Angebot von MINT-Ausbildungen im schulischen Kontext ist essenziell. Wir brauchen in Österreich zudem dringend mehr Studienplätze im technischen Bereich. Für uns ist es absolut nicht nachvollziehbar, dass beispielsweise an der FH Technikum Wien trotz des akuten Fachkräftemangels im letzten Jahr 1.500 qualifizierte Bewerber für technische Studien, obwohl sie das Aufnahmeverfahren erfolgreich absolviert hatten, aus Mangel an Finanzierung von Studienplätzen abgewiesen werden mussten. Das ist für uns als wissensbasierte Zukunftsindustrie einfach fatal. Wir reagieren viel zu wenig schnell auf die rasante Entwicklung von Technologie und auf neue ­Geschäftsmodelle, die völlig neue Berufsbilder und Beschäfti­gungstypologien hervorbringen. Hier erwarten wir von der künftigen Regierung einen umfassenden, zielgerich­teten Dialog“, so Roitner weiter.

Mangel macht kreativ
Der Fachkräftemangel ist kein neues Problem, sondern schon seit Jahren Alltag. Gegenüber NEW BUSINESS bestätigte Roitner die Richtigkeit vergangener Prognosen hinsichtlich des Mangels an hoch qualifizierten Arbeitskräften in Österreich. Aber wie haben die heimischen Firmen ihren Bedarf dann in dieser Zeit gedeckt? „Da die Unternehmen gezwungen sind, das Personal zu haben, das sie brauchen, haben manche Mitarbeiter aus 80 Nationen“, so Roitner. Wolfgang Hesoun ergänzte: „Man weicht als Industrie dann aus. Es gibt die Möglichkeit, zum Beispiel in die Ukraine oder nach Rumänien zu gehen. Aber auch dort wird der Arbeitsmarkt immer dünner. Das ist aber nicht unser Ziel. Wir wollen österreichische Arbeitsplätze auch in Österreich besetzen können.“
Von der Bundesregierung wird also Initiative gefordert – und zwar nicht nur von der nächsten, sondern auch allen folgenden. Damit es nicht bei frommen Wünschen an das Christkind bleibt, sondern auch zu einer Bescherung kommt. (RNF)

INFO-BOX

Über den FEEI
Der Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie vertritt in Österreich die Interessen des zweitgrößten Industriezweigs mit rund 300 Unternehmen, rund 67.000 Beschäftigten und einem Produktionswert von 18,83 Milliarden Euro (Stand 2018).
www.feei.at