An Schräubchen drehen

NEW BUSINESS Guides - UMWELTTECHNIK- & ENERGIE-GUIDE 2022/23
Der Energieverbrauch von Industrie- und Gewerbeobjekten lässt sich nur durch das „Feintuning“ vieler kleiner Schrauben reduzieren. © Paul Vom Ehrenberg/Pixabay

Im Krisenherbst und -winter sind Strom und Gas rare Güter. Immobilien-Insider Mathias Mühlhofer entwirft ein Szenario, wie Energiesparen bei Gewerbeimmobilien ...

... und gleichzeitiger Klimaschutz gelingen können.

Schon Mark Twain wusste: „Prognosen sind schwierig. Vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen.“ So geht es auch mir. Vor fast einem Jahr schrieb ich an dieser Stelle: Wir haben zu wenig Rohstoffe und Personal. Als Folge wird die Wirtschaft massiv ausgebremst, die Produktion teurer und schwierig. Und Dienstleister wie Installateure, Schlosser und Fertiger geraten unter Druck.

Nun sind die skizzierten Probleme eingetreten. Aber gleichzeitig haben wir Unternehmer gelernt, damit zu leben. Wir haben neue Wege der Beschaffung von Rohstoffen und Waren gefunden. Unser neuer Businessalltag ist zwar teurer und komplizierter als vor der Pandemie, aber er läuft – allen Unkenrufen zum Trotz. Viele Branchen befinden sich im Aufwind: mit neuen Mitarbeitern, auf eigenen Wunsch teilweise in Teilzeit. Flexibilität und Anpassungsfähigkeit als neue Unternehmer­disziplinen – viele haben hier allerdings noch Luft nach oben.

So wenig Energie wie noch nie
Womit weder ich noch Kollegen gerechnet hatten, ist die historische Energieknappheit infolge des Ukraine-Kriegs. Beim Schreiben dieses Kommentars war nicht klar, ob wir in diesem Winter genügend Gas und Strom für alle haben werden. Meine pessimistische Prognose lautet: Es sieht leider nicht danach aus. Der Gaspreis ist in ungeahnte Höhen geschossen, der Strompreis folgte ihm blindlings. Die Folge: Produktion und Dienstleistung sind plötzlich zum Luxus geworden – die Inflation erklimmt immer neue Rekorde. 

Was können wir tun, um die Negativspirale zu stoppen? Wer die letzten 30 Jahre nicht hinter dem Mond gelebt hat, weiß: Politiker und Experten predigen mantraartig den Ausbau von erneuerbaren Energien – Sonnen-, Wind- und Wasserkraft. Nachdem auf den meisten privaten Grundstücken (dazu zähle ich auch Gewerbe- und Betriebsgrundstücke) eine Windräderfarm aus vielen Gründen jedoch ausgeschlossen ist, ruht alle Hoffnung auf der Photovoltaik (PV). Geht es nach den Plänen von Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne), sollen PV-Anlagen bald alle Dächer Österreichs zieren.

Im Tiefschlaf Richtung Energiewende
Angesichts cooler Wohnungen und klammer Fertigungshallen fragen sich viele: Haben wir den rechtzeitigen Ausbau der Sonnenenergie verschlafen? Aus meiner Sicht: Ja. Nur: Wieso geht das so langsam voran? 

Erstens: PV-Anlagen sind teuer – obwohl die Preise pro Kilowatt-Peak in den letzten 30 Jahren deutlich gesunken sind und nach Anschaffung und Installation Gratisstrom fließt. Aber bei einem größeren Gewerbeobjekt sind immer noch Investitionen von mehreren Hunderttausend Euro nötig.

Nach strenger Rechnung zahlt sich die Inves­ti­tion in eine PV-Anlage nicht aus. Zu Mittag, wenn aufgrund des Sonnenhöchststands viel Strom produziert wird, laufen auch die solaren Kleinkraftwerke aller Nachbarn auf Hoch­touren – Strom wird im Überschuss produziert. Das drückt den Preis in den Keller. Gut für Verbraucher. Schlecht für Unternehmer, die mit der PV-Anlage auf dem Dach ihres Gewerbe­objekts kleine Stromproduzenten geworden sind – und die Energie billig ins Netz einspeisen müssen. 

Für PV wären 500 Tesla-Batterien nötig – pro Österreicher
Am Abend und im Winter ist Solarstrom Mangelware – die PV-Anlage produziert wenig bis gar nichts. Mit den aktuell hohen Strompreisen verdienen zwar auch Solarstromproduzenten mehr. Allerdings ist fraglich, wie lange noch. Rechnet sich die Investition in eine PV-Anlage über die 25 Jahre währende Laufzeit? Als Unternehmer bezweifele ich es. Speziell dann, wenn aufgrund der hohen Erträge viele nachziehen und ebenfalls solar aufrüsten.

Zweites Argument gegen eine PV-Anlage: Für echte Autarkie – die Selbstversorgung mit Strom – ist die Sonne ungeeignet. Die Anlagen produzieren hauptsächlich zur Tagesmitte Strom. Am Tagesrand, bei Wolken, Schnee oder in der Nacht liefern sie (zu) wenig. Dann müssen Unternehmer Strom erst recht wieder teuer zukaufen.

Ein plakativer Vergleich veranschaulicht das Dilemma: Wenn wir den Bedarf aller Österreicherinnen für die Abend- und Nachtstunden (ohne Regentage und Winter) tagsüber einspeichern wollten, würden wir 4,5 Milliarden (!) Tesla-Batterien benötigen. Das sind 500 Stück pro Kopf und Nase – inklusive derer der Babys.

Heimisches Stromnetz: ein Baum mit dickem Stamm und dünnen Ästen
Drittens: Die liebe Bürokratie hemmt den ­Ausbau von PV-Anlagen auf Industrie- und Gewerbe­objekten ebenfalls. Netzbetreiber müssen erst einmal zustimmen – wie viele Kollegen aus leidvoller Eigenerfahrung wissen, kann eine Genehmigung zur Mission Impossible werden. 

Das Nadelöhr ist die Logistik: Das österreichische Stromnetz hat keine unbegrenzten Kapazitäten. Es wurde dafür gebaut, den Strom vom Kraftwerk zu den Verbrauchern zu verteilen. Erdiger formuliert: Es ist wie ein Baum mit einem dicken Stamm (nahe dem Kraftwerk) und dünnen Ästen (zu den Verbrauchern).

Drehen wir den Spieß um und werden Verbraucher zu Stromproduzenten, braucht es einen Netzausbau: durch aufwendiges und teures Baggern, um neue, dickere Leitungen zu verlegen. Selbst ohne Blick auf die Kosten befinden wir uns im Land der begrenzten PV-Möglichkeiten. Ein Blick auf die Grafik der Niederösterreichischen Netze zeigt das deutlich.

Energie-Sparefrohs bei Gewerbeimmobilien
Was also tun? Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) kommuniziert die schonungslose Wahrheit schon lange: Energie sparen – in Privathaushalten wie Gewerbe­immobilien. Auch Fraktionskollegin Gewessler spricht das Szenario für Herbst und Winter endlich offen aus: Wir müssen Gas, aber auch Strom sparen – massiv. In Privathaushalten können wir einen Deckel auf den Spaghettitopf setzen und eine kurze lauwarme Dusche satt des langen heißen Vollbads genießen.

Parallel dazu müssen wir den Energieverbrauch von Industrie- und Gewerbeobjekten reduzieren: mit klimafitten Gebäuden. Der große Wurf benötigt das Drehen vieler kleiner Schrauben. Auch wenn PV-Anlagen kein gutes Geschäft sind und sie nicht unseren Gesamtenergiebedarf decken: Wir brauchen sie.

Eine zeitgemäße Gebäudedämmung hilft ebenfalls, den Energieverbrauch zu reduzieren. Um nicht beim Fenster hinauszuheizen, haben wir bei unserem Objekt in Spillern bei Korneuburg nach dem Kauf die alte Gebäudehülle gegen eine moderne Wärmeschutzfassade getauscht.

Last but not least braucht es smartes Energiemanagement: In der Nacht und am Wochenende muss die Heizung gedrosselt und das Licht ausgeschaltet beziehungsweise auf Bewegungsmelder umgestellt werden. Eine clevere Beschattung erspart (oder unterstützt) im Sommer die stromfressende Klimaanlage. Und intelligent gesteuerte Lifte reduzieren Leerfahrten wie Stromverbrauch. 

Wie also unsere Businesszukunft aussieht? „Prognosen sind schwierig. Vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen.“ Ich wage dennoch eine Entgegnung auf Mark Twain: Dieser Herbst und dieser Winter werden nicht einfach. Aber wenn alle Unternehmer dicke Bretter bohren, werden wir die Situation meistern. Und im Idealfall – ich bin Optimist – an dieser Herausforderung wachsen. (MM)


INFO-BOX
Über den Autor
Mathias Mühlhofer ist Vorstand der Immobilienrendite AG, Experte für Sanierungen und Jurist.
Nähere Informationen finden Sie unter www.immobilienrendite.at