Stroh zu Gold spinnen

NEW BUSINESS Guides - UMWELTTECHNIK- & ENERGIE-GUIDE 2019/20
Kreislaufwirtschaft ist eine Chance für die Umwelt, aber auch eine Basis für neue Geschäftsmodelle – gerade für rohstoffarme Länder wie Österreich. © Faizal Sugi/Pixabay

Der Aktionsplan der EU für die Kreislaufwirtschaft birgt enormes ­Potenzial. Die Umwandlung von Abfällen in Ressourcen ist nicht nur eine Chance für neue Geschäftsmodelle ...

... sondern auch für die nächste Generation. Ein Fachkommentar von Axel Dick.

Mehr als ein Jahr ist es her, dass sich Vertreter von österreichischen Vorzeigeunternehmen mit Vertretern des Instituts für Integrierte Qualitätsgestaltung an der Johannes Kepler Universität in Linz erstmals im Rahmen des Forschungsprojekts „Qualität 2030“ getroffen haben. Sie tauschten sich seither laufend mit Wissenschaftern aus, und überraschenderweise nahm das Thema Kreislaufwirtschaft sukzessive eine immer dominierendere Rolle ein. Ein wesentlicher Punkt dabei ist, dass die Kreislaufwirtschaft künftig nicht nur einige wenige Vorzeigebetriebe betreffen wird, sondern alle Unternehmen. Grund dafür ist ein Aktionsplan der EU-Kommission für die Kreislaufwirtschaft, der nach und nach in ­nationales Recht umgesetzt wird.

Kunststoff-Recyclingquote von 22,5 auf 55 Prozent steigern
Vor allem rohstoffarme Länder wie Österreich sollten die EU-Pläne nicht als Schikane betrachten, sondern als Chance. Als Chance für neue Geschäftsmodelle beispielsweise – aber auch für die Umwelt. Sieht man sich die aktuelle Ausgangslage an, wird schnell klar, warum das so ist. Wir importieren derzeit aus fernen Ländern Edelmetalle, seltene Erden und viele andere wichtige Rohstoffe. Zugleich sammeln und exportieren wir Elektronikschrott in ­Entwicklungsländer, der dort nicht immer fachgerecht entsorgt oder gar wiederverwertet wird. Im ersten Schritt nimmt der EU-Plan daher die Abfallwirtschaft in Angriff. So soll beispielsweise die Recyclingquote für Kunststoff in der Europäischen Union bis 2030 von aktuell 22,5 auf 55 Prozent steigen und bei Holz von 15 auf 30 Prozent. Mit der konsequenten Sammlung und Wiederverwertung von Kunststoffen würde auch ein wichtiger Beitrag zur Vermeidung von Mikroplastik geleistet werden. Holz und ­Kunststoff sind im Übrigen jene zwei Bereiche, bei denen Österreich die EU-Ziele für 2030 (!) derzeit noch nicht erfüllt. In anderen Bereichen sind wir hingegen der Zeit bereits mehr als zehn Jahre voraus – das sollte nicht unerwähnt bleiben, auch wenn noch sehr viel Arbeit vor uns liegt.
Österreich hat zum Glück einen relativ großen Holzbestand, wobei das Potenzial, aus Altholz Spanplatten zu erzeugen, noch nicht voll ausgeschöpft wird. Aus alten Möbeln könnten dadurch wieder neue Möbel entstehen, wodurch der Kreislauf geschlossen wird. Das Problem dabei ist, wenn man bei alten Möbeln nicht weiß, welche Lacke, verchromten Metallteile oder andere gefährliche Inhaltsstoffe verwendet wurden. Dann besteht die Gefahr, dass man vorhandene Gift- und Schadstoffe wieder in den Kreislauf bringt. Das Kreislaufwirtschaftssystem ist aber nicht nur ein abfallwirtschaftliches Thema. Die Frage ist auch: Wie mache ich Produkte kreislauffähig? Auch das Produktdesign muss von der Stunde null an neu gedacht werden, um gefährliche Stoffe, die beispielsweise krebser­regend oder erbgutschädigend sind, zu vermeiden. Diese Stoffe müssen wieder aus den Prozessen und Produkten entfernt werden, damit sie am Ende weder in den biologischen noch den technischen Stoffkreislauf gelangen. Produkte sollten modular aufgebaut sein, damit bei einem Gebrechen nur Teile davon getauscht werden müssen und nicht das gesamte Gerät. Sie sollten generell einfacher zu reparieren sein, damit das Wegwerfen und Neuanschaffen nicht attraktiver erscheint. Die Rohstoffe sollten künftig ­klimafreundlich angeliefert und nachhaltig abgebaut werden oder alternativ dazu durch andere Stoffe substituiert werden. Wichtig ist auch, dass die Inhaltsstoffe von Beginn an transparent ausgewiesen werden, damit die Daten am Ende des Produktzyklus den Verwertungsunternehmen zur Verfügung stehen.

Alten Batterien neues Leben einhauchen
Auf den ersten Blick erscheint es erfreulich, dass immer mehr Elektroroller oder Elektroautos das Stadtbild prägen, weil immer mehr Menschen den Verbrennungsmotoren den Rücken kehren. Allerdings müssen die teuren Lithium-Ionen-Batterien irgendwann auch verwertet werden. Ein noch viel größeres Umweltproblem sind die vielen kleinen Lithium-Ionen-Batterien aus dem Haushalt, die im Restmüll entsorgt werden. Diese Batterien haben eine hohe Energiedichte, wodurch es bei Beschädigung der Membrane in den Sortieranlagen immer wieder zu Bränden aufgrund von Spontanentladungen kommt. Laut Forschern der Montanuniversität Leoben verursachten im Restmüll entsorgte Lithium-Batterien binnen fünf Jahren in Österreich einen Schaden in Höhe von rund 100 Millionen Euro. Die Lithium-Ionen-Batterien aus dem Haushalt und in den Unternehmen sind unbedingt getrennt zu sammeln, zu lagern und fachgerecht zu entsorgen. Den größeren Lithium-Ionen-Batterien aus Elektrofahrzeugen könnte man in Zukunft ein zweites Leben einhauchen, indem man sie als Stromspeicher für Ökostrom weiternutzt.
Optimierungsbedarf gibt es auch bei Smart­phones. Diese enthalten seltene Erden, Silber, Gold und viele weitere Stoffe, die am Ende des Tages nicht selten auf einer Deponie landen, statt wieder in den Kreislauf zurückgeführt zu werden. Kommt ein neues Modell auf den Markt, wird das alte rasch unattraktiv. Wird der fest verbaute Akku kaputt, wird vielfach nicht mehr der Akku getauscht, sondern gleich auf das neueste Smartphone-Modell umgestiegen. Das ist keine Kreislaufwirtschaft, sondern eher ein Teufelskreis, den wir durchbrechen müssen. Die EU hat 20 kritische Rohstoffe für die europäische Wirtschaft identifiziert, bei denen kaum bis gar kein Recycling stattfindet, dazu zählen zum Beispiel auch seltene Erden.

Zehn Millionen Tonnen Kunststoff recyceln
Es braucht aber nicht nur ein Umdenken der Konsumenten, sondern auch der Wirtschaft. Gutes Geld kann man schließlich nicht nur mit dem Verkauf neuer Produkte verdienen, sondern zum Beispiel auch mit gebrauchten oder generalüberholten Waren. Wenn die Nachfrage groß genug ist, werden nicht nur neue ­Dienstleister entstehen, sondern ganze Geschäftsmodelle.
Die Kreislaufwirtschaft führt aber auch dazu, dass die Wertschöpfung in den Regionen steigt, die Abhängigkeit von geopolitisch unsicheren Regionen sinkt und eine enorme Innovationskraft freigesetzt wird. Die Märkte für Sekundärrohstoffe beispielsweise sind im Vergleich mit den Märkten für Primärrohstoffe noch deutlich unterentwickelt. Laut EU-Plan sollen bis 2025 zehn Millionen Tonnen recycelter Kunststoff zu neuen Produkten verarbeitet werden. Auch mit dem Zurückführen von Elektroschrott in den Kreislauf kann von innovativen Unternehmen sprichwörtlich Stroh zu Gold gesponnen werden. Das sollten wir mitbedenken, falls wir wieder einmal unsere Augen vor den schädlichen Auswirkungen unseres Tuns verschließen. Es geht schließlich nicht nur um unsere Zukunft, sondern auch ums Geld. (RNF)

INFO-BOX
Umwelt- und Energieforum
Es gibt ISO-Normen wie beispielsweise 14001:2015, 14006, 14009, IEC 62430 sowie den Cradle-to-Cradle-Ansatz, die Anleitungen oder klare Vorgaben im Hinblick auf Lebenswegbetrachtung, Produktdesign und das Erschließen von Kreisläufen geben. Nähere Infos dazu gibt es am 28. November 2019 beim 6. qualityaustria Umwelt- und Energieforum im Schloss Schönbrunn in Wien.
www.qualityaustria.com/events