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NEW BUSINESS Guides - IT- & DIGITALISIERUNGS-GUIDE 2021
Viele Firmenleitungen hätten den Wert der IT jetzt erkannt, so Peter Lenz, Managing Director von T-Systems in Österreich und der Schweiz. © RNF

Die Verbindung von Unternehmen und Mitarbeitern aufrechtzuerhalten und zu stärken, gehört für T-Systems-Chef Peter Lenz zu den wichtigsten Aufgaben in Zeiten von Remote Work und Homeoffice.

Seit 2018 ist Peter Lenz Managing Director von T-Systems in Österreich, und seit 1. Jänner 2020 verantwortet er zusätzlich auch die Geschäfte der Schweiz, beide Landesorganisationen zusammengefasst in der zu diesem Zeitpunkt neu ins Leben gerufenen Region Alpine. NEW BUSINESS hat mit ihm unter anderem über die besonderen Herausforderungen des Jahres 2020 und seine Einschätzung für 2021 gesprochen.

Herr Lenz, Sie haben vor rund einem Jahr die Führung der Region Alpine von T-Systems übernommen – dann kam Corona. Das erste Jahr in dieser Rolle hatten Sie sich wahrscheinlich anders vorgestellt, oder?
Ja, definitiv. Wir sind aber in den ersten Monaten gut ins Jahr gestartet, als Corona noch nicht mehr als eine Meldung aus China war. Die Einführung unseres Alpine-Organisationskonstrukts in beiden Ländern lief sehr gut, wir haben es intensiv gelebt, und ich war jede Woche ein paar Tage in der Schweiz. Der Startschuss fiel aber auch nicht erst im Jänner. Schon im Spätsommer 2019 wurde begonnen, die ersten strukturellen Maßnahmen zu setzen. Dann begannen die Ankündigungen, wobei Österreich mit allen Maßnahmen ein paar Tage früher dran war als die Schweiz. Es wurde beschlossen, den österreichischen Weg auch in der Schweiz mitzugehen, um in der gemeinsamen Organisation keine ­unterschiedlichen Level an Maßnahmen einzuführen. Das hat zu Beginn bei den ­Schweizer Kolleginnen und Kollegen für etwas Verwirrung gesorgt. Im Nachhinein waren sie sehr froh, dass wir so schnell und beherzt agiert haben und sukzessive alle verbindlich ins Homeoffice geschickt haben.

Dass ein österreichischer Manager die Verantwortung für die Schweiz übertragen bekommt, ist eher selten. Trotz aller Gemeinsamkeiten gibt es ein paar Unterschiede zwischen den Ländern. Gab es einen Kulturclash – Stichwort Käsefondue kontra Wiener Schnitzel?
Nein, nicht offensichtlich. Es ist klar, dass es zwei unterschiedliche Nationen sind und die Schweizer ein sehr stolzes und selbstbewusstes Volk sind. Es gab großes Interesse daran, wie „der Österreicher“ seine Aufgabe angeht. Da wir sowohl Schweizer als auch Österreicher im ­Führungskräfteteam haben, ist es uns sehr gut gelungen zu zeigen, dass es ein Zusammenschluss auf Augenhöhe ist und nicht einer versucht, den anderen zu dominieren.
Was man aber sagen muss: In der Schweiz herrscht ein wesentlich höheres Lohnniveau vor, und wir versuchen, mit den tendenziell etwas günstigeren österreichischen Arbeitskräften, aber auch mit Near- und zum Teil Offshore-Anteilen die Schweizer Angebote zu unterstützen, um den europäischen Marktpreis zu treffen und ein für den Kunden möglichst attraktives Package zu schnüren. Die Schweizer Kollegen haben erkannt, dass ein österreichischer Managing Director keine Gefahr für sie ist, sondern dass man das Beste aus beiden Welten zusammenbringen kann.
Was schön war: Ich war früher Konzern-CIO der ÖBB, und die SBB ist unser größter Kunde in der Schweiz. Dass die SBB jetzt als Managing Director einen Ansprechpartner hat, der bereits in einer Bahn-IT-Verantwortung war, hatte für die SBB durchaus Charme.

Worauf hatten Sie sich für 2020 vorbereitet, und wie hat sich das Jahr durch die Pandemie dann tatsächlich dargestellt?
Wir hatten natürlich einen Plan. Schön ist, dass wir unseren Plan aus dem Herbst 2019 vollinhaltlich erfüllt haben. Durch das starke Lebenszeichen der IT im Pandemiejahr 2020 waren wir als Systemprovider sehr gefordert, konnten aber auch mit dem auf Kundenseite gestiegenen Bedürfnis nach zeitgemäßer IT unsere Geschäfts­pläne umsetzen. Man kann durchaus sagen, dass 2020 auch ein Stück weit eine Sternstunde der Informationstechnologie war, weil viele Unternehmen erkannt haben, dass IT kein Kostenfaktor ist, sondern zum Schluss der Business-Enabler schlechthin war. Ohne IT wäre ab Mitte März gar nichts mehr gegangen. Das haben viele Firmenleitungen erkannt, das wirkt sich positiv auf den Stellenwert der IT und ihrer Akteure aus.

Dass die IT ein Business-Enabler und nicht nur ein Kostenfaktor ist, sollte eigentlich schon lange klar sein. Schade, dass es für diese Erkenntnis vielerorts scheinbar eine Pandemie gebraucht hat.
Man muss immer beide Seiten sehen. Vielleicht liegt es auch daran, wie sich die IT bisher verkauft hat. Man sagt der IT manchmal eine Tendenz zur Introvertiertheit nach. Vielleicht hat sie auch jetzt die Chance genutzt, um stark aufzuzeigen, was sie leisten kann und was man an ihr hat.

Welche Auswirkungen hatten die ­letzten Monate auf T-Systems intern, und wie sind Sie damit umgegangen?
Wir haben natürlich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, bis auf jene, die beispielsweise für die Aufrechterhaltung des Betriebs des Rechenzentrums verantwortlich sind, ins Homeoffice geschickt und sind auch jetzt (Anm.: das Interview fand Mitte Dezember 2020 statt) mit circa 90 Prozent der Belegschaft im Homeoffice. Wir haben sehr gut gelernt, mit der Situation umzugehen. Ich bin aber nach wie vor der Überzeugung, dass Organisationen wie wir intensiv das gemeinsame, bereichsübergreifende Arbeiten im Co-Creation-Prozess aufrechterhalten müssen. Wir werden daher nie und nimmer unsere Büroflächen aufgeben, sondern auch in Zukunft, wenn es wieder möglich ist, die Leute gezielt zusammenrufen. Wir merken, dass der Zusammenhalt in der Belegschaft leidet. Ich halte es für nicht opportun, mit Blick auf die gesamte Belegschaft von über tausend Leuten in beiden Ländern, dass wir tausend Freelancer haben, die sich immer weniger mit dem Unternehmen identifizieren. Es ist wichtig, den T-Systems-Familienspirit, der sicher vorherrscht, zu fördern, um dieses organisatorische Merkmal wieder stärker ins Bewusstsein zu bringen. Vor allem der Herbst, als signifikante Mitarbeitergruppen im Homeoffice waren, hat mir gezeigt, dass sonst etwas verloren geht. Wir wollen den Kontakt zu den Menschen und untereinander nicht verlieren, sondern ihn gezielt fördern. Die Verhaltensbiologin Dr. Elisabeth Oberzaucher hat das als „soziale Fell­pflege“ bezeichnet – die fehlt uns Menschen.

Auch 2021 wird sich voraussichtlich anders entwickeln, als wir vor zwölf Monaten noch alle gedacht haben. Wie bereiten Sie sich darauf vor?
Zum einen sind wir sicher als Organisation viel agiler geworden. Wenn ein Lockdown verlängert werden soll, schreckt mich das zum Beispiel überhaupt nicht mehr. Wir sind resilienter, agiler, flexibler geworden, uns auf solche unvorhergesehenen Dinge besser einzustellen. Von dem her fand ich es auch eine spannende Aufgabe, jetzt schon ein ganzes Jahr vorhersehen zu wollen. Dem haben wir uns gestellt, indem wir versucht haben, die Trends der letzten Monate auf die kommenden zwölf Monate zu projizieren und somit ein positives, aber realistisches Abbild auf das nächste Jahr zu übertragen. Wir sehen konkret ein einstelliges Wachstumspotenzial, was den Umsatz betrifft, werden aber unser Portfolio sehr variabel shiften können und müssen – seien es unsere Public-Cloud- oder ­Hybrid-Cloud-Ansätze, unser Datennetzan­gebot mit Software Defined WANs oder seien es Digitalisierungsthemen mit Programmierservices oder unsere Managed-Infrastruktur. Auch Cybersecurity ist ein ganz heißes Thema. Es vergeht derzeit kaum eine Woche, in der nicht auch namhafte Unternehmen gezielt angegriffen werden – mit zum Teil verheerenden Folgen. Da wir nicht den Februar oder März projizieren können, haben wir den Ansatz gewählt, von einer guten Grundlast auszugehen, die sicher da sein wird, und dann dynamisch zu entscheiden, worauf wir den Fokus legen. Aber die Themen Hybrid Cloud, Multi-Cloud, Cybersecurity, S/4HANA, Transformationsthemen – all das wird im nächsten Jahr mit Nachdruck vorangetrieben.
Gerade wenn ich an die SAP-Welt denke, an Unternehmen, die stark im E-Commerce waren oder jetzt noch stärker in den E-Commerce gehen müssen – wie zum Beispiel Retailer, deren Shops weiter unter Druck sein werden und die deswegen stark auf Onlinechannels um­schichten –, sehe ich viel Nachfrage auf der einen Seite und somit auch viele Umsetzungsprojekte im Jahr 2021. Die Unsicherheit wird uns sicher bis in den Sommer, vielleicht bis in den Herbst begleiten.

Die S/4HANA-Welle rollt also mittlerweile richtig? Sie hat ja schon vor einigen Jahren, allerdings auch sehr langsam, angefangen.
Ja, sie hat sehr langsam angefangen, viele haben sich das erst angesehen. Jetzt rollt die Welle wirklich, die Projekte und Umstellungsvor­haben sind gestartet. Das ist gut so, auch wenn alle ein bisschen mehr Zeit haben, weil SAP den Wartungszeitraum seiner Business Suite bis 2027 verlängert hat. Es kommt mir so vor, als würden viele die Pandemiezeit nutzen, um ihre Umstellungsvorhaben anzugehen. Auch weil die Schere der zusätzlichen Funktionen, die von SAP im Wochen- und Monatstakt ausgerollt werden, sonst immer größer wird und man einen immensen Aufholbedarf zu dem hat, was die neuen Releases zu bieten haben.

Wie wird sich die Nachfrage der ­Kunden 2021 entwickeln? Was werden die großen Themen des Jahres?
Wir rechnen mit sehr viel Nachfrage, was für jemanden wie uns natürlich sehr positiv ist. Die kurzfristigen Themen, wie Conferencing-Tools et cetera, sind alle abgefrühstückt, mit Datenleitungen, Bandbreiten haben sich alle eingedeckt. Jetzt liegt der Fokus klar bei den Endgeräten und User-Interfaces. Man hat erkannt, dass der Client zu Hause das Eintrittstor für alle Mitarbeiter in die Firmen-IT ist und somit genauso gut auch von zu Hause funktionieren muss wie innerhalb der Firmengrenzen. Das ist auch für die Cybersecurity und die sogenannte Endpoint-Protection ein wichtiges Thema geworden, damit man sich bei der Arbeit zu Hause keine unliebsamen Dinge einfängt.
Darüber hinaus geht es auch sehr stark in flexible Strukturen, damit sind wir bei Cloud- und Hybrid-Ansätzen. Denn man kann jetzt noch nicht sagen, welche Last man auf den Systemen im April haben wird, deswegen entscheidet man sich für ein flexibles Modell, um sich vom Serviceprovider seines Vertrauens dann die nötige Rechenkapazität zu holen, wenn man sie braucht. Die Unternehmen werden sich flexibel, agil und resilient aufstellen. Ich habe den Eindruck, dass Budgets zugunsten der IT umgeschichtet worden sind. Wir sehen dem neuen Jahr sehr positiv entgegen.

Und danach? Welchen Einfluss wird Corona Ihrer Meinung nach auf die weitere Entwicklung der IT haben?
Der Stellenwert, den wir uns als IT jetzt erarbeitet haben, wird bleiben. Ich glaube, es wird sehr stark in Richtung Absicherung von Logistik­ketten gehen. Viele Organisationen kamen unter Druck, wenn einzelne Teile für ihre Produktion gefehlt haben, vielleicht von Herstellern mit langen Lieferwegen, wenn man nicht genau gewusst hat, wo genau steckt was. Hier sehen wir Möglichkeiten, Lieferketten stärker zu kontrollieren und mit zeitgemäßen IT-Tools – Stichwort IoT – den Unternehmen dabei zu helfen, sehr genau zu wissen, wo was gerade liegt. Ich könnte mir vor­stellen, dass manche Unternehmen dazu über­gehen, die Komplexität der Lieferketten zu reduzieren, vielleicht wieder auf europä­ische Sourcing-Modelle zu setzen oder verstärkt nach einem Puffer zu trachten, wo man sich das leisten kann. Diese Dinge kann man heute schon antizipieren, weil das die Learnings aus der Krise sind. Und es hat sich gezeigt, dass das nicht die einzige Krise bleiben muss. Potenziell könnte so etwas wiederkommen, darauf wird man sich einstellen müssen.

Hatte diese Zeit auch Einfluss auf Ihre eigene künftige Strategie und Ihre eigenen Pläne?
Persönlich galt es sehr schnell zu reagieren. Wenn man ein Führungskräfteteam hat, mit dem man in einem sehr ehrlichen und direkten Austausch steht, und sehr schnell Feedback zu eigenen Überlegungen bekommt, dann hat sich das als starker Zusammenhaltspunkt bewiesen. Wir sind ein eingeschworenes Team geworden, mehr als vielleicht noch vor einem Jahr. Wenn man gemeinsam durch so etwas geht, schweißt das zusammen. Was wir auch gelernt haben, war eine starke Kommunikation in die Teams hi­nein. Wir haben durch Corona gelernt, dass wir wesentlich öfter, ich würde sagen doppelt so oft – und es war vorher schon nicht wenig –, mit unseren Mitarbeitern in den direkten Kontakt gehen. Den Kontakt zu halten, finde ich persönlich sehr wichtig. Das Magenta-Blut, wie wir es nennen, gilt es hochzuhalten, auch ein Stück weit zu ehren und zu unterstützen. Selbst ich frage mich manchmal, wann der böse Traum endlich zu Ende ist. Um dann wieder einzu­sehen, dass es halt so ist. (RNF)

INFO-BOX
Zur Person
Peter Lenz bekleidete bereits unterschiedliche Top-Management-IT-Positionen in den Bereichen Automotive, Energie und Mobilität. Er arbeitete in leitenden Funktionen bei Magna Europe, Magna Power­train und der OMV AG. Von 2011 bis 2016 war er bei den Österreichischen Bundesbahnen als Konzern-CIO tätig. Im Jänner 2017 begann Lenz seine Karriere bei ­T-Systems Austria, erst als VP Delivery und mit Jänner 2018 dann als Vorsitzender der Geschäftsführung der
T-Systems Austria. Seit 1. Jänner 2020 ist Peter Lenz als Vorsitzender der Geschäftsführung für ­T-Systems Österreich und Schweiz für die Großkundensparte der Deutschen Telekom in der Region Alpine verantwortlich. Er begann ein Studium in Maschinenbau und Informatik an der TU Wien und studierte später Informations- & Wissensmanagement an der Donau-Universität Krems. Lenz ist verheiratet, hat zwei Söhne und lebt mit seiner Familie in Wien.