Wandel vorantreiben

NEW BUSINESS Guides - INDUSTRIE GUIDE 2022/2023
In den inzwischen vier Jahren, in denen CEO Andreas Klauser PALFINGER geleitet hat, hat das ­Unternehmen sowohl 2019 als auch 2021 Rekorde in Umsatz und Ergebnis verzeichnet. © PALFINGER/Peter Rigaud

PALFINGER hat sich in den vergangenen Jahren sehr intensiv mit den ­bestehenden sowie kommenden Herausforderungen auseinandergesetzt und Vorbereitungen getroffen ...

... Das spiegelt sich auch in der ausgesprochen erfreulichen Umsatzentwicklung wider.

Das internationale Technologie- und Maschinenbauunternehmen PALFINGER hat mit seinen innovativen Kran- und Hebelösungen 2021 einen Rekordumsatz von 1,84 Milliarden Euro erzielt. Für das Gesamtjahr 2022, das Jahr des 90-Jahr-Jubiläums der Firma, ist sogar die „Umsatzschallmauer“ von zwei Milliarden Euro in Reichweite.

Andreas Klauser ist seit Juni 2018 CEO der PALFINGER AG. Diesen Sommer wurde sein Vertrag schon vorzeitig um fünf weitere Jahre verlängert. Im Gespräch mit NEW BUSINESS zieht er Bilanz aus den Ereignissen der vergangenen Jahre und wirft auch einen Blick in die Zukunft.

Herr Klauser, nach dem Rekord­ergebnis 2021 und einem Umsatzrekord im ersten Halbjahr 2022 ist nun die Zwei-Milliarden-Umsatzmarke für das Geschäftsjahr 2022 in Griffweite. Wie schaffen Sie das in diesen herausfordernden Zeiten? Was ist das Geheimnis Ihres Erfolgs?
Unser Erfolg beruht auf mehreren Faktoren. Zum einen haben wir 2019 die GLOBAL PALFINGER ORGANIZATION (GPO) implementiert. Sie schafft die Voraussetzungen dafür, dass unser globales Unternehmen rasch, effizient und bereichsübergreifend kommuniziert, dass klare Zuständigkeiten definiert sind und wir als ONE PALFINGER auftreten.

Zum zweiten leben wir seit nunmehr 90 Jahren absolute und unbedingte Kundennähe. So wissen wir, was funktioniert, wo es hakt, worin die Herausforderungen bestehen, denen sich unsere Kunden gegenübersehen. Zum dritten paaren wir Pioniergeist mit Innovation. Wir definieren uns als internationaler, innovativer Technologie­konzern; wir gestalten gemeinsam mit unseren Kunden und Partnern proaktiv die Zukunft unserer Branche.

Und wir beschäftigen uns intensiv mit den kommenden Herausforderungen, die mit den Megatrends Nachhaltigkeit, gesellschaftlicher Wandel und Digitalisierung einhergehen. Darauf wiederum fußt unsere „Vision & Strategie 2030“. Kurz, wir leben Unternehmertum in allen seinen fordernden Dimensionen.

Würden Sie für uns kurz zusammen­fassen, worum es in der „Vision und Strategie 2030“ geht?
Wir formulieren damit, wie eben gesagt, unsere Antworten auf drei Megatrends, die für PALFINGER und seine Kunden große Auswirkungen haben. Auf die Art und Weise, wie gearbeitet wird, wer arbeitet und unter welchen Rahmenbedingungen Unternehmen täglich Mehrwert schaffen. Um unsere Kunden dabei bestmöglich zu unterstützen, haben wir mit „Go for Solutions“ und „Go digital“ zwei Säulen formuliert, die unseren Zugang beschreiben.

Wir werden alle Bereiche unseres Geschäfts digitalisieren – vom Bestellvorgang über die Betreuung und den Service zu jeder Zeit an jedem Ort bis hin zu intelligenten Lösungen, die einfacher und sicherer zu bedienen sind als je zuvor. Wir werden unseren Kunden integrierte Gesamtlösungen zur Verfügung stellen, also mehr als nur einen Kran oder einen Aufbau. Wir begreifen zum Beispiel das Kranfahrzeug mitsamt seiner Umgebung als ein „Ökosystem“, dessen Potenziale und Synergien wir nutzbar machen.

Seien es Unterbrechungen in den ­Lieferketten, die Pandemie, die Notwendigkeit der Digitalisierung oder das Erreichen von Nachhaltigkeits­zielen – an Herausforderungen herrscht derzeit wahrlich kein ­Mangel. Was davon hat Ihrer Meinung nach oberste Priorität? Oder ist ­vielleicht sogar etwas ganz anderes noch wichtiger?
Was wir am schnellsten in den Griff bekommen müssen, das ist der Dreiklang aus Energiekrise, Lieferkettenunterbrechungen und rasant steigenden Kosten. Diese drei Faktoren wirken unmit­telbar auf die Realwirtschaft. Sie verstärken einander und das mit aller negativen Konsequenz. Diese Probleme gilt es schnellstens zu lösen. Damit allein ist es aber nicht getan.

Sie haben die Digitalisierung angesprochen, die langfristig eine zentrale Herausforderung ist, mit der viele Möglichkeiten einhergehen. Deswegen ist sie von PALFINGER als einer der wesentlichen Megatrends identifiziert worden. Ebenso wie die Nachhaltigkeit, der wir uns aus ökologischen wie ökonomischen Gründen dringend widmen müssen.

Ihre Frage beschreibt zugleich das Dilemma, dem wir uns heute gegen­übersehen: die Vielzahl an Herausforderungen, mit denen wir gleichzeitig umgehen müssen. Und der Umstand, dass wir über aktuellen Krisen die langfristigen Entwicklungen nicht vernachlässigen dürfen. Auch das ist eine Herausforderung, der sich Unternehmen wie PALFINGER, aber auch die Politik und die Gesellschaft gegenübersehen.

PALFINGER hat kürzlich ein flexibles Preismodell – Dynamic Pricing – ­vorgestellt. Was waren die Gründe dafür, und was kann man sich ­darunter ­vorstellen?
In Zeiten rasant steigender Kosten stößt man mit ein- oder zweimaligen Preiserhöhungen pro Jahr rasch an seine wirtschaftlichen Grenzen. Mit ihnen ist immer nur ein verzögertes Nachziehen möglich, das dann zum Zeitpunkt seiner Wirksamkeit schon nicht mehr den Gegebenheiten am Markt entspricht. Das ist über einen kurzen Zeitraum vertretbar. 

Das hat PALFINGER in der Vergangenheit aus diesem Grund durchaus so gehalten – auch, um den Kostendruck von seinen Kunden abzuhalten. Angesichts der Kosten­explosion seit 2020 war uns das nicht mehr möglich. Indem wir unsere Preise für EMEA nun an den spezifischen europäischen Industrial Producer Price Index koppeln, spiegeln wir die Kostenentwicklungen aller wichtigen Komponenten in Echtzeit und in aller Transparenz wider.

Sprich, steigen die Kosten und steigt damit der Index, legen unsere Endpreise entsprechend zu. Sinken die Kosten und geht der Index zurück, dann sinken auch unsere Endpreise im selben Ausmaß. Wir geben damit alle Kostenvor- und -nachteile unmittelbar weiter. Wobei wir sechs Wochen vor Auslieferung den definitiven Preis festlegen.

Bei den Produktinnovationen Ihres Unternehmens spielen Nachhaltigkeit bzw. Öko-Effizienz sowie smarte Lösungen und Services eine große Rolle. Können Sie uns ein paar ­Beispiele dafür nennen?
Womit soll ich beginnen? Am besten mit dem Ladekran. Als Stammprodukt von PALFINGER ist er der „lebende“ Beweis dafür, dass Gutes immer noch besser werden kann. Beim neuen PK 250 TEC vereinfachen smarte Steuerungssysteme die Kranführung. Da spielen die neue Steuerungs­elektronik PALTRONIC 180, die innovative Kran­spitzensteuerung Smart Control und die Kran­positionsspeicherung Memory Position zusam­men, um noch smartere und effizientere Arbeits­einsätze zu ermöglichen.

Mit dem F3 151 Silent Pack Mitnahmestapler wiederum haben wir den leichtesten und gleichzeitig leisesten Mitnahmestapler seiner Klasse. Das Silent Pack garantiert effizientes und reibungsloses Arbeiten zum Beispiel im Wohngebiet. Eine wichtige Rolle spielen unsere Smart Solutions. PALFINGER Connected zum Beispiel vereint die Funktionen Fleet Monitor, Operator Monitor und Service Cockpit und garantiert ohne Unterbrechung präzisen Informationsfluss zur Planung anstehender Einsätze und Wartungstermine. So werden Stehzeiten reduziert, Services optimiert und der effizienteste Ressourceneinsatz gesichert.

Und das ist noch lange nicht alles: Wir müssen alles unternehmen, um die CO₂-Emissionen deutlich zu reduzieren. Die E-Mobility hält viel Potenzial bereit, das wir für elektrische Lösungen wie den bereits erwähnten PK 250 TEC-Ladekran nutzen. Per Knopfdruck kann die Betriebsart – Li-Ion-Batteriepaket oder Stromnetz, das mit dem Fahrzeugmotor verbunden ist – gewechselt werden.

Wie kommt da das neue globale ­Technologiezentrum in Köstendorf ins Spiel? Was findet dort alles statt bzw. was kommt noch?
Mit der „Vision & Strategie 2030“ geht PALFIN­GER proaktiv die großen Herausforderungen – von der Digitalisierung über den demografischen Wandel bis hin zur globalen Erwärmung – an. Mit der „Complete Solution“ stehen neue Angebote und Lösungen für Kunden und Partner im Zentrum dieser Strategie. PALFINGER bietet in Zukunft Hard- und Softwarelösungen komplett aus einer Hand. Forschung und Entwicklung spielen dabei eine essenzielle Rolle.

Wir investieren daher gezielt in unsere Forschungseinrichtungen und in Kooperationen mit externen Partnern. Da kommt das Technologiezentrum Köstendorf ins Spiel. Hier entwickeln wir zentral Kernelemente wie Steuerungs- und Regeltechnik, Antriebstechnik und Aktuatorik, die dann wie im Baukastensystem weltweit in unserer Produktion zum Einsatz kommen, wobei lokale Anpassungen und regionale Ausprägungen in den regionalen Installationszentren erfolgen.

Mit dem Ausbau und der Erweiterung des Technologiezentrums Köstendorf zum zentralen Standort aller F&E-Tätigkeiten nimmt die neue Strategie im Sinne des Wortes Gestalt an. Dazu erfüllt Köstendorf die wichtige Aufgabe, das bestehende Netzwerk zwischen PALFINGER und externen Entwicklungspartnern wie Universitäten, Fachhochschulen und Forschungsgemein­schaften weiter zu fördern und auszubauen. 

In diesem Technologiezentrum sind bereits rund 350 Mitarbeiter:innen beschäftigt, in den nächsten fünf ­Jahren soll diese Zahl sogar noch verdoppelt werden. Ist es nicht schwierig, diese Fachkräfte zu finden? Wie bringt sich PALFINGER in dem „War for Talents“ in Stellung?
Sie sprechen ein großes Problem an. Durch die demografische Entwicklung stehen immer weniger Arbeitskräfte zur Verfügung. Mit diesem Phänomen sehen sich Industrie, Gewerbe und Dienstleister gleichermaßen konfrontiert. Auf den „War for Talents“ kann man nur mit Spitzenleistungen reagieren. Man muss unter Beweis stellen, dass man ein zukunftsoptimistisches, leistungsfähiges, innovatives und aussichtsreiches Unternehmen ist. 

In diesem Zusammenhang spielt Köstendorf tatsächlich eine wichtige Rolle, da wir hier ein Know-how-Zentrum etablieren, das weit über die Grenzen der Region hinaus wirken wird. Damit sind wir in der Lage, wichtige internationale Know-how-Träger und Top-Talente anzuziehen und ihnen langfristige Entwicklungs- und Wachstumsper­spektiven zu bieten. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Project Base, ein modernes Arbeitsumfeld, das gemeinsames, interdisziplinäres Arbeiten forciert und offene und informelle Kommunikation fördert.

Endlich finden wieder Messen statt. Wie wichtig ist für PALFINGER die ­persönliche Präsenz auf Messen?
Sie ist ein Muss. Wir leben seit 90 Jahren absolute Kundennähe. Erst im intensiven und vertrauensvollen Austausch mit unseren Kunden und Anwendern sind wir in der Lage, unsere Produkte und Lösungen immer weiter zu verbessern. Messen wie die IAA und die bauma spielen dabei eine wichtige Rolle. In vielen Fällen findet hier der Erstkontakt statt, oder es werden alte Kontakte aufgefrischt. Außerdem befinden wir uns in einer direkten Vergleichs­situation mit unseren Mitbewerbern. Diesen Vergleich brauchen wir keinesfalls zu scheuen. Ganz im Gegenteil.

Wo sehen Sie das größte Entwicklungspotenzial für die kommenden Jahre?
Unser Entwicklungspotenzial ist durch die beiden strategischen Säulen „Go for Solutions“ und „Go Digital“ sehr exakt beschrieben. Es geht zum einen um integrierte Lösungen, es geht zum anderen darum, die Potenziale der Digitalisierung bestmöglich zu nutzen und einzusetzen. Wenn wir das Entwicklungspotenzial etwas weiter fassen und in Regionen denken, dann haben sich Nordamerika (NAM) und Lateinamerika (LATAM) als die stärksten Wachstumsregionen etabliert.

In beiden Regionen sind wir schon gut positioniert und haben die besten Chancen, unsere Position deutlich auszubauen. Gerade im aktuellen Geschäftsjahr hat sich LATAM überdurchschnittlich stark entwickelt – eine Basis, auf der wir weiter aufbauen werden. Und dann ist da auch noch der rasant wachsende Markt des Offshore-Wind­farmings, den wir sowohl in Europa, aber auch in Südostasien sehr intensiv und erfolgreich bedienen.

Wie schätzen Sie die kommenden zwei Jahre ein? Wie wird es mit der Energiekrise weitergehen? 
Die Rahmenbedingungen bleiben schwierig. Sowohl Corona als auch der Krieg in der Ukraine haben bestehende Probleme verschärft und ­verstärkt. Dass die globalen Supply-Chains ­störungsanfällig sind, das war abzusehen. Wir haben proaktiv darauf reagiert, indem wir in unserer Beschaffung vor allem auf regionale, aber international angesehene Partner setzen. So wie wir auch regional auf die regionalen Bedürfnisse hin abgestellt produzieren.

Sprich, wir haben – soweit uns das möglich war – das Risiko der Logistik minimiert. Unterbrochene Supply-Chains bleiben aber sicherlich ein Thema. Ebenso wie der eklatante Mangel an Rohstoffen und Halbleitern. Aber, und Sie sprechen es ja an, die Energiekrise steht derzeit sicherlich im Zentrum unserer Probleme. Und auch sie wird uns bis auf Weiteres begleiten.

Gleichzeitig läutet sie in Europa ein neues Kapitel ein, indem wir uns unabhängiger von fossilen Energieträgern machen müssen. Das verlangt der Klimaschutz, und der Krieg in der Ukraine beschleunigt diesen Prozess ganz wesentlich. Wir werden alle, als Gesellschaft wie als Wirtschaft, ein hohes Maß an Flexibilität und Bereitschaft, Neues zu wagen, beweisen müssen.

Wo lauern die größten Gefahren?
Die größte Gefahr ist, dass wir die Hände in den Schoß legen und andere über unser ­Schicksal entscheiden lassen. Wir müssen handeln, wir müssen unsere Zukunft selbst in die Hand nehmen. Jetzt ist nicht die Zeit, pessimistisch zu sein. Es gibt viel zu tun. Wir haben alle Voraussetzungen, den Wandel erfolgreich ­voranzutreiben. (RNF)


INFO-BOX
Zur Person
Geboren 1965, begann Andreas Klauser seine Karriere bei STEYR Landmaschinentechnik in Oberösterreich. Bis 2015 verantwortete er in Turin, Italien, als COO von CNH Industrial für die Region EMEA die Integration von zwölf Marken und neun Teilorganisationen. Zuletzt war Klauser von den USA aus als Vorstandsmitglied von CNH Industrial sowie Global Brand President von Case IH und STEYR weltweit tätig. Seit Juni 2018 ist Andreas Klauser CEO der ­PALFINGER AG. In dieser Funktion zählen die folgenden Themen zu seinen Agenden: Sales & Service, Business Development, P21st/Digitale T­ransformation, Human Resources, Marketing & Kommunikation, Nachhaltigkeit sowie Investor Relations. Andreas Klauser ist überdies Vorsitzender des Aufsichtsrats der CTI Holding AG und Vorsitzender des Aufsichtsrats der Trivest AG.