Die Top-Robotertrends

NEW BUSINESS Guides - AUTOMATION GUIDE 2020
Von 2020 bis 2022 sollen rund zwei Millionen neue Industrieroboter in Fabriken weltweit installiert werden. Ein Umdenken durch die Coronavirus-Krise könnte an diesen Zahlen aber noch etwas ändern. © Tumisu/Pixabay

Die International Federation of Robotics berichtet nicht nur darüber, welche Top-Trends innovative Entwicklungen vorantreiben, sondern auch, wie Roboter im Kampf gegen Corona eingesetzt werden.

Von 2020 bis 2022 sollen rund zwei Millionen neue Industrieroboter in Fabriken welt­weit installiert werden – so die Prognose des Statistikdepartments der International Federation of Robotics (IFR). „Intelligente Robotik und Automation sind wichtig, um mit neuen Verbrauchertrends, steigender Nachfrage nach Produktvielfalt oder Herausforderungen durch Handelsbarrieren umzugehen“, so Susanne Bieller, Generalsekretärin der IFR. „Neue technologische Lösungen ebnen dabei den Weg für mehr Flexibilität in der Produktion.“ Top-Treiber für den Einsatz von Industrierobotern sind laut IFR: ­vereinfachte Bedienbarkeit, die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine sowie die Digitalisierung.

Roboter werden smarter
Die Programmierung und Installation von Robotern wird deutlich vereinfacht. Und so sieht das in der Praxis aus: Digitale Sensoren in Verbindung mit intelligenter Software ermöglichen direkte Lehrmethoden – etwa in Form von „Programmierung durch Demonstra­tion“. Die Aufgabe, die der Roboterarm ausführen soll, wird zunächst von einem Menschen ausgeführt: Er nimmt den Roboterarm buchstäblich an die Hand und zeigt den gewünschten Bewegungsablauf. Die dabei aufgezeichneten Daten werden anschließend von der Software in das digitale Programm des Roboterarms umgewandelt. Zukünftig werden automatische Lernprogramme Roboter dazu anleiten, ihre Bewegungen mit Versuch-und-Irrtum-Methoden zu optimieren und mit Videodemonstrationen zu arbeiten.

Roboter arbeiten mit dem Menschen zusammen
Die Zusammenarbeit von Mensch und Roboter ist ein weiterer wichtiger Trend in der Robotik. Durch die Fähigkeit, mit Menschen zusammenzuarbeiten, sind moderne Robotersysteme in der Lage, sich an eine schnell verändernde Umgebung anzupassen. Die Palette der kollaborativen Anwendungen, die von den Roboterherstellern angeboten wird, erweitert sich ständig. Gegenwärtig sind Anwendungen mit einem gemeinsamen Arbeitsraum (Shared Workspace) am häufigsten, bei denen Mensch und Maschine die Aufgaben nacheinander schrittweise erledigen, also sequenziell.
Anwendungen, bei denen Mensch und Roboter gleichzeitig am selben Teil arbeiten, sind im Vergleich dazu deutlich anspruchsvoller. Forschung und Entwicklung (F&E) konzentrieren sich derzeit auf Methoden, die es den Robotern ermöglichen, am Arbeitsplatz mit dem Menschen in Echtzeit zu interagieren. So wie zwei Menschen in der Fabrik zusammenarbeiten würden, so wollen die F&E-Teams, dass der Roboter seine Bewegungen an die Umgebung anpassen kann, um eine wirklich reaktionsfähige Zusammenarbeit zu gewährleisten. Bei diesen Lösungen wird beispielsweise berücksichtigt, die menschliche Stimme oder Gestik zu erkennen. Mit der Technologie von heute bietet die Mensch-Roboter-Kooperation bereits ein enormes Potenzial für Unternehmen aller Größen und Branchen. Investitionen in kollaborative Systeme werden die traditionellen Industrie­roboter ergänzen.

Roboter werden digital
Industrieroboter, wie sie in der Industrie 4.0 eingesetzt werden, sind die zentralen Komponenten der digitalen und vernetzten Produktion. Umso wichtiger ist es, dass sie miteinander kommunizieren können – unabhängig vom Hersteller. Die sogenannte OPC Robotics Companion Specification, die von einer gemeinsamen Arbeitsgruppe des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) und der Open Platform Communications Foundation (OPC) entwickelt wurde, definiert eine standardisierte generische Schnittstelle für Industrieroboter und ermöglicht die Anbindung von Industrierobotern an das Industrial Internet of Things (IIoT). Die digitale Konnektivität von Robotern, beispielsweise mit der Cloud-Technologie, ist auch ein Treiber für neue Geschäftsmodelle. Roboterleasing – genannt Robot as a Service – hat beispielsweise Vorteile, die besonders für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) attraktiv sein könnten: keine Kapitalbindung, fixe laufende Kosten, automatische Upgrades und kein Bedarf an qualifiziertem Personal für die Roboter.

Roboter und die Krise
Freilich hat die IFR ihre Trends und Prognosen für das Jahr 2020 noch vor dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie veröffentlicht. Wenngleich die technologischen Trends nicht von der Hand zu weisen sind, lässt sich schwer voraussagen, welche Auswirkungen die Krise auf die Branche haben wird. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass der Einsatz von Robotern und der Automatisierungsgrad weiter steigen werden. Entgegen anders lautenden Vermutungen könnte es sogar sein, dass ein zunehmender Robotereinsatz nicht mit dem Abbau menschlicher Arbeits­kräfte Hand in Hand geht. Durch die dadurch steigende Produktivität könnten sogar Arbeitsplätze geschaffen werden.
Zudem prognostiziert die IFR, dass als Auswirkung der Krise Unternehmen weltweit ihre Supply-Chain-Modelle umstellen werden, was sich positiv auf den Absatz von Industrierobotern auswirken soll und zugleich zu einer Renaissance von industrieller Produktion in einigen Regionen führen könnte, was dort wiederum Arbeitsplätze in diesem Bereich schaffen würde.
Hätte, könnte, würde – was sich auf jeden Fall bereits jetzt sicher feststellen lässt, ist, dass Roboter weltweit im Kampf gegen das Coronavirus im Einsatz sind. Sie spielen eine wichtige Rolle, nicht zuletzt bei Oberflächendesinfektion in Krankenhäusern. So ist beispielsweise die Nachfrage nach dem Desinfektionsroboter UVD seit Ausbruch der Covid-19-Pandemie stark gestiegen: Chinesische Krankenhäuser bestellten mehr als 2.000 UVD-Roboter des dänischen Herstellers Blue Ocean Robotics. Eingesetzt wurden sie in Wuhan, dem Ursprungsort der globalen Pandemie. Derzeit werden die Roboter in mehr als 40 Ländern genutzt – in Asien, Europa und Nordamerika. Dabei wird ultraviolettes Licht (UV-C) verwendet, um schädliche Krankheitserreger abzutöten. Der Roboter ist mit dem IERA-Award ausgezeichnet worden, einem Innovationspreis, der gemeinsam vom Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE) und der IFR verliehen wird.
„Mit unseren Robotern helfen wir dabei, eines der größten Probleme unserer Zeit zu lösen: die Verbreitung von Viren und Bakterien einzudämmen und damit Leben zu retten“, sagt Claus Risager, CEO von Blue Ocean Robotics. „Die Nachfrage nach dem UVD ist mit Ausbruch der Covid-19-Infektionen sprunghaft angestiegen. Unsere Bestandskunden kaufen deutlich mehr Geräte als vor der Krise, aber auch viele neue Kunden bestellen die UVD-Roboter zur Bekämpfung von Coronaviren und anderen schädlichen Mikroorganismen.“ Damit schreibt der mit dem IERA-Award ausgezeichnete Roboter seine Erfolgsgeschichte fort. Blue Ocean Robotics verzeichnete in den letzten zwei Jahren ein jährliches Umsatzwachstum von mehr als 400 Prozent.
Der dänische Roboter fährt autonom durch Operationssäle und Patientenzimmer und bestrahlt alle kritischen Oberflächen mit der optimalen Menge an UV-C-Licht, um Viren und Bakterien abzutöten. Je intensiver der Roboter eine Oberfläche bestrahlt, desto mehr schädliche Mikroorganismen werden zerstört. 99,99 Prozent aller Viren und Bakterien in einem typischen Patientenzimmer sind innerhalb von zehn Minuten abgetötet.

Roboter hilft auf Flughäfen, in Schulen und Büros
„Der UVD-Roboter unterstützt das Reinigungspersonal bei seiner Arbeit“, sagte Claus Risager. Aus Sicherheitsgründen arbeiten die Geräte in den Räumen selbstständig und schalten das UVC-Licht sofort automatisch ab, sobald jemand den Raum betritt. Der kollaborative Roboter kann in unterschiedlichsten Räumen eingesetzt werden – nicht nur in Krankenhäusern. Die Technologie funktioniert auch in Büroräumen, Einkaufszentren, Schulen, Flughäfen und Produktionsstätten.
„Das Potenzial der Roboter, uns bei der aktuell schweren Corona-Pandemie zu unterstützen, ist enorm“, so die IFR-Generalsekretärin Bieller. „Sie unterstützen uns im Gesundheitswesen, aber auch bei der Entwicklung, Prüfung und Herstellung von Medikamenten, Impfstoffen und anderen medizinischen Geräten und Hilfsmitteln. Desinfektionsaufgaben, wie sie der UVD-Roboter durchführt, oder die sichere Verteilung von Krankenhausmaterial in Quarantänezonen ohne menschlichen Kontakt, die beispielsweise der mobile Roboter Phollower von Photoneo leistet, sind nur zwei von vielen Beispielen.“
Medizinroboter bilden heute bereits einen ­eigenen, gut etablierten Servicerobotermarkt mit beträchtlichem Wachstumspotenzial. Der Absatz von Medizinrobotern stieg im Jahr 2018 um 50 Prozent auf 5.100 Einheiten. Das geht aus dem von der International Federation of Robotics vorgestellten Bericht „World ­Robotics“ hervor. (RNF)

INFO-BOX
Über IFR
Die International Federation of Robotics ist das Sprachrohr der weltweiten Robotik­industrie. Die IFR vertritt fast 60 Mitglieder, u. a. Hersteller von Industrierobotern und n­ationale Roboterverbände aus über 20 Ländern, und wurde 1987 als gemein­nützige Organisation gegründet.
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