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Kollege Roboter

NEW BUSINESS Guides - AUTOMATION-GUIDE 2019
„Immer mehr Geräte werden auch im industriellen Kontext vernetzt betrieben, wodurch sich neue Schwachstellen ergeben, die auch massiven Einfluss auf die funktionale Sicherheit haben können.“ © TÜV AUSTRIA Group/Andreas Amsüss

Alexandra Markis ist Innovation Project Manager und Area Manager Indus­trie 4.0 bei NEXT HORIZON, einem Hightech-Thinktank des Prüf- und Zertifizierungsdienstleisters TÜV AUSTRIA ...

... Im Interview spricht sie über industrielle Cyber-Security und die Mensch-Roboter-Kollaboration.

Mit NEXT HORIZON hat die TÜV AUSTRIA Group bereits 2017 einen Digital Acceleration-Incubator geschaffen. Dort werden neue und disruptive Modelle entlang der Areas „Industrie 4.0“, „Cyber-Security“ und „Internet der Dinge“ entwickelt und am Markt erprobt. Nutzerzentriertes Design steht dabei im Mittelpunkt.
Angesiedelt in den Räumlichkeiten des TÜV AUSTRIA Campus Wien-Süd in Brunn am Gebirge besteht die menschliche Komponente dieses Hightech-Thinktanks des Prüf- und Zertifizierungsdienstleisters aus sogenannten Pioneers: jungen, hochtalentierten Akademikern und High Potentials, die in ihren jeweiligen Gebieten neue Technologien und Methoden erforschen und darauf basierend – gemeinsam mit Unternehmen – zukunftsweisende Service-Innovationen entwickeln.
Das weite Feld von Industrie 4.0 gehört zu den Zuständigkeiten von Alexandra Markis, Innovation Project Manager und Area Manager Industrie 4.0 bei NEXT HORIZON. Die Diplomingenieurin hat ihr Studium in „Wirtschaftsingenieurwesen – Maschinenbau“ an der TU Wien absolviert und sich an der Königlichen Technischen Hochschule in Stockholm in „Industrial Engineering and Management“ ausbilden lassen. Markis ist seit 2015 bei TÜV AUSTRIA an Bord. Davor führte ihr Karriereweg die TÜV-Pionierin aber unter anderem auch zu Fraunhofer Austria Research.

Frau Markis, wie und wobei kann NEXT HORIZON seine Partner und ­Kunden unterstützen?
NEXT HORIZON ist der Digital Acceleration-Incubator der TÜV AUSTRIA Group. Hier erforschen die Pioneers von NEXT HORIZON gemeinsam mit den Experten der TÜV AUSTRIA Gruppe neue Technologien und entwickeln darauf basierend zukunftsweisende Service-Innovationen. Die Area Industrie 4.0 beschäftigt sich mit neuen Technologien im industriellen Umfeld. Themen, die uns hier umtreiben, sind beispielsweise industrielle Cyber-Security für vernetzte Produktionsanlagen, kollaborative und mobile Robotik sowie digitale Assistenzsysteme. Was diese Trends gemeinsam haben, sind die steigende Relevanz der Sicherheit und das starke Zusammenwachsen der Disziplinen funktionale Sicherheit und IT-Security.

Können Sie uns vielleicht ein Beispiel dafür aus der Praxis nennen?
Besonders hohe Relevanz hat für uns der Bereich der industriellen Cyber-Security. Immer mehr Geräte werden auch im industriellen Kontext vernetzt betrieben, wodurch sich neue Schwachstellen ergeben, die auch massiven Einfluss auf die funktionale Sicherheit haben können. Vielen Anwendern ist nicht bewusst, dass die Betrachtung der funktionalen Sicherheit allein zur Absicherung von Systemen nicht mehr ausreichend ist. Im Bereich der Mensch-Robotik-Kollaboration haben wir uns beispielsweise bereits intensiv mit den Auswirkungen der IT-Security auf die funktionale Sicherheit beschäftigt und unsere Erkenntnisse in einem White Paper und einer Videoreihe veröffentlicht.

Sie haben sich eingehend mit der sogenannten Mensch-Roboter-Kollaboration beschäftigt. Können Sie uns kurz zusammenfassen, worum es dabei geht?
Bei der Mensch-Roboter-Kollaboration teilen sich Mensch und Roboter einen Arbeitsplatz und arbeiten gemeinsam oder parallel an einer Arbeitsaufgabe. Kollisionen zwischen Mensch und Roboter können nicht mehr wie bei der klassischen Robotik ausgeschlossen werden, was neue Herausforderungen für die sicherheitstechnische Betrachtung mit sich bringt.

Was ist hierbei der Unterschied zur „klassischen“ Robotik, wie sie etwa seit Jahrzehnten in der Automobil­industrie zu finden ist?
Klassische industrielle Roboter werden hauptsächlich im Bereich der Automatisierung eingesetzt und komplett getrennt vom Menschen, hinter Schutzzäunen oder anderen trennenden Schutzeinrichtungen betrieben. Das erlaubt auch den Einsatz hoher Geschwindigkeiten und Lasten. In der kollaborativen Robotik kommen für gewöhnlich Leichtbauroboter mit einer Traglast zwischen drei und 35 Kilogramm zum Einsatz, deren primäre Aufgabe es ist, den Menschen bei seinen Tätigkeiten zu unterstützen.

Für welche Einsatzbereiche eignen sich diese Leichtbauroboter?
In der Mensch-Roboter-Kollaboration werden Leichtbauroboter als physische Assistenzsysteme für ergonomisch belastende und/oder stark repetitive Tätigkeiten eingesetzt. Durch die direkte Zusammenarbeit mit dem Menschen ergeben sich natürlich gewisse Einschränkungen bei der Geschwindigkeit und damit der Taktzeit, die es zu bedenken gilt. Weiter sind auch manche Werkstücke und Werkzeuge für MRK-Anwendungen wenig geeignet und unter Einhaltung geltender Standards wirtschaftlich nicht sinnvoll umsetzbar, da die Handhabungs­geschwindigkeiten zu langsam werden. Daher sollte bereits beim Design eine sicherheitstechnische Analyse vorgenommen werden, um die Wirtschaftlichkeit und Sinnhaftigkeit eines kollaborativen Arbeitssystems bewerten zu können.

Was gilt es zu beachten, wenn man sich als Unternehmen für den Einsatz solcher Roboter entscheidet?
Das Thema Sicherheit spielt im Bereich kollaborative Robotik eine entscheidende Rolle. Es gibt bereits geltende Normen, die es einzuhalten gilt. Insbesondere ist hier die ISO/TS 15066 zu nennen, die festlegt, welchen Kräften des Roboters der Mensch ausgesetzt sein darf. Die Über­prüfung verlangt aktuell die Messung der Kräfte an den potenziellen Kontaktstellen, die über eine Risikobeurteilung ermittelt werden müssen. Die Gestaltung des Arbeitsplatzes und des Arbeits­ablaufs hat dabei einen wesentlichen Einfluss darauf, mit welchen Geschwindigkeiten und mit welchen Kräften schlussendlich manipuliert werden darf. Es braucht daher bereits bei der Gestaltung eine hohe sicherheitstechnische Expertise, um das Potenzial der Technologie optimal nutzen zu können und nachträgliches, aufwendiges Nachrüsten und Umbauen zu vermeiden.

Oft hört man von der Angst, dass Roboter den Menschen die Arbeitsplätze wegnehmen würden. Ist diese Angst Ihrer Meinung nach begründet?
Für kollaborative Robotik gilt das definitiv nicht. Sie kommen meist bei manuellen Arbeitsplätzen zum Einsatz, um die Ergonomie, Arbeitszufriedenheit und Produktivität des Mitarbeiters zu fördern, indem stark repetitive, körperlich anstrengende oder gefährdende Arbeiten vom Roboter übernommen werden. Kognitive Aufgaben wie etwa Qualitätskontrollen werden auch weiterhin beim Menschen liegen. (RNF)

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