Wirtschäft drängt auf raschere Genehmigungen © APA - Austria Presse Agentur

Auf eine Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für die Projekte für die Energie- und Mobilitätswende drängen Wirtschaftskammer, Industrie und E-Wirtschaft. Sonst ließen sich die 70 Mrd. Euro Volumen umfassenden Investitionsprojekte nicht wie geplant bis zum Jahr 2030 umsetzen, warnten Spitzenvertreter am Dienstag. Scharfe Kritik kam von Greenpeace. Der Vorstoß sei "demokratiefeindlich, EU-rechtswidrig und ein Frontalangriff auf den Umweltschutz in Österreich".

"Wer A sagt, muss auch B sagen", betonte IV-Generalsekretär Christoph Neumayer im Hinblick darauf, dass Österreich bis dahin seinen Strombedarf übers Jahr gerechnet komplett aus erneuerbaren Quellen abdecken will. Am Donnerstag werde mit der Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz-Novelle im Nationalrat "der Korken aus der Flasche" gezogen, "nun muss der Flaschenhals erweitert werden", forderte Barbara Schmidt, die Generalsekretärin des Branchenverbandes Oesterreichs Energie, in einem gemeinsamen Onlinepressegespräch.

Die Erreichung der Ziele für 2030 werde "zum Wettlauf mit der Zeit", so WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf, "da sind effiziente UVP-Verfahren und zügige rechtliche Genehmigungen der Schlüssel schlechthin". Derzeit befinde sich hier "das Nadelöhr". In den Verfahren sollte die offizielle Frist reichen und wie in Zivilverfahren nach der Prozessstoff-Pyramide vorgegangen werden, verlangte Neumayer. Kundmachungen sollten verstärkt über das Internet erfolgen, Experten wenn möglich per Video zugeschaltet werden.

Die Bürgerinitiativen (BI) und NGOs sollten nach dem Willen von Neumayer stärker unter die Lupe genommen werden. Derzeit müssten sich BI-Initiatoren nie mehr mit ihrer BI abstimmen, und oft fehle eine "demokratische Unterfütterung". Derzeit seien nur BI's gegen ein Projekt zugelassen, "warum nicht auch für ein Projekt?". Die NGOs sollten nur in ihrem sachlichen Wirkungsbereich tätig sein und Großspenden offenlegen müssen, orientiert am Parteiengesetz 2012. Das schränke die Möglichkeit einer Verfahrensbeteiligung aber nicht ein, so der IV-Generalsekretär.

Es wäre positiv, wenn sich die faktische Dauer von Verfahren dem gesetzlichen Rahmen annähernd würde - maximal neun Monate für die erste Instanz, sechs Monate für die zweite -, "da wären wir schon sehr zufrieden", so Schmidt. Kopf bestätigte, dass UVP-Verfahren derzeit im Median 13 Monate und im Schnitt 25 Monate dauern - jedoch mit extremen Ausreißern nach oben bis hin zu vielen Jahren oder auch schon einmal einem Jahrzehnt. Dem Umweltministerium warf Kopf vor, es rechne die Verfahrensdauer durch das Betonen der Medianwerte schön, obwohl sie im Durchschnitt länger dauern.

IV-Generalsekretär Neumayer meinte, selbst der "grüne" Wirtschaftsminister Robert Habeck habe vorige Woche eine Gesetzesänderung angekündigt, wonach nicht ein einzelnes Tier ein Investitionsprojekt aufhalten könne - in Österreich sei das durch einen angeblich beim Linzer Westring gesichteten Biber der Fall gewesen, obwohl es sich nicht um eine gefährdete Art handle, denn die Zahl der Biber sei im Land im Steigen begriffen. Auch ein Horst einer seltenen Storchenart oder ein angeblicher Kot, eine Losung eines Wiedhopfs hätten Ornithologen beschäftigt, im letztgenannten Fall zwei Jahre lang.

Es gehe auch darum "Ballast abzuwerfen, der unionsrechtlich gar nicht erforderlich ist", so Kopf, sonst blieben die 70-Mrd.-Euro-Projekte "ein Papiertiger". Davon entfallen laut Kopf 25 Mrd. Euro auf die bekannte zusätzliche Erneuerbaren-Produktion von 27 Terawattstunden (TWh), weitere 2 Mrd. Euro auf Biomethananlagen für 7,5 TWh, 1,35 Mrd. Euro für die Erzeugung von erneuerbarem Wasserstoff (4,2 TWh) sowie 12 Mrd. Euro für 6,5 TWh erneuerbare Wärme (Wärmepumpen, Geothermie, Solarthermie, Biomasse, Abfallverbrennung), bei diesen Posten zusammen somit rund 40 Mrd. Euro bis 2030.

Weitere 31 Mrd. Euro an Investitionen seien für die öffentliche Energieinfrastruktur bis 2030 nötig, davon 18 Mrd. Euro für das Stromnetz, 7 Mrd. Euro für Stromspeicher, 2 Mrd. Euro für die Wasserstoffinfrastruktur, 1,6 Mrd. Euro für das Fernwärmenetz sowie 2 Mrd. Euro für die Lade- und Tankinfrastruktur. Für die Windkraftziele seien 1.100 weitere Windkraftwerke nötig, , so Kopf, im Schnitt 10 pro Monat. Bei Photovoltaik (PV) hieße das alle zwei Minuten eine zusätzliche Anlage auf einem Einfamilienhaus, bei Biomasse neun weitere Wien-Simmering-Kraftwerke, in der Wasserkraft sechs zusätzliche Freudenau-Laufkraftwerke.

Es stehe eine Novelle im Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVP-G) bevor, und dort sollten gleich Erleichterungen mit eingearbeitet werden, forderten die drei. Schmidt sagte, wie in Zivilgerichtsverfahren sollte es auch in UVP-Verfahren ganz klare Fristen etwa für das Einbringen neuer Punkte oder Beschwerden geben. Projektwerber sollten während des Baus nur dann zu Ausgleichsmaßnahmen verpflichtet werden, wenn es um nachhaltige Folgen für die Umwelt gehe - die an sich bestehenden Pflichten zu Ausgleichsmaßnahmen wegen Umweltbeeinträchtigungen, etwa Ersatzflächen oder -lebensräume blieben davon unberührt, so Schmidt. Und drittens sollte es für Projekte, denen gemäß der TEN-Verordnung der EU ein besonderes gemeinwirtschaftliches Interesse zukomme, auch im Verfahrensablauf gewissermaßen Vorfahrt bekommen.

Greenpeace-Sprecherin Lisa Panhuber äußerte in einer Reaktion vielmehr den Wunsch, dass in UVP-Verfahren "unbefangene und renommierte internationale Gutachter beauftragt" werden sollen und verwies diesbezüglich auf den jüngsten Skandal um mögliche Unregelmäßigkeiten bei Verfahren in der Steiermark. "Es sind oft die langen Vorlaufzeiten der Projektwerber, die die Verfahren in die Länge ziehen, nicht die Umweltverträglichkeitsprüfung", betonte sie in einer Aussendung. "Umweltverfahren sind unerlässlich für Klima- und Umweltschutz, um negative Auswirkungen auf die Natur frühzeitig abzuschätzen und zu verhindern".