Der Linzer Stahlkonzern schreitet nun wieder in Richtung Gewinne © APA - Austria Presse Agentur

Der börsennotierte Stahlkonzern voestalpine hat die Verlustzone im Geschäftsjahr 2020/21 (per Ende März) hinter sich gelassen. Unter dem Strich verdienten die Linzer 32 Mio. Euro, nachdem sie im Jahr davor noch 216 Mio. Euro Verlust erlitten hatten. Die Dividende soll nun von 20 auf 50 Cent je Aktie kräftig aufgestockt werden, wie das Unternehmen heute bekanntgab. Der Konzern tätigte Sonderabschreibungen von 197 Mio. Euro. Die Nettoverschuldung sank von 3,8 auf 2,7 Mrd. Euro.

"Neben dem konjunkturellen Rückenwind lieferten vor allem unsere internen Maßnahmen zur Kostensenkung und Effizienzsteigerung einen entscheidenden Beitrag zum positiven Jahresabschluss - trotz Wirtschaftskrise verfügt die voestalpine heute über eine höhere Liquidität und weniger Schulden als noch vor einem Jahr", erklärte Vorstandschef Herbert Eibensteiner bei der Online-Bilanzpressekonferenz. "Das Geschäftsjahr war geprägt durch die Covid-19-Pandemie und einem massiven Nachfrageeinbruch im ersten Quartal in nahezu allen Business-Segmenten - es war ein schwieriges Jahr für uns alle", so Eibensteiner.

Im Automotive-Bereich kam es im April und im Mai 2020 zu einem massiven Umsatzeinbruch von 85 Prozent, berichtete Metal-Forming-Divisionschef Peter Schwab. Einer der Hochöfen wurde laut Leiter der Steel Division, Hubert Zajicek, stillgelegt. Im Spätsommer sei dann erkennbar gewesen, "dass unser wichtigstes Segment, Automotive, wieder anspringt, sodass wir den Hochofen wieder in Betrieb nehmen konnten". Im Juni war man laut Schwab wieder bei einem Automotive-Umsatz von 60 Prozent und" konnte wieder ein positives EBIT generieren", also operativ Gewinne einfahren. "Wir waren bereits im Jänner 2020 von Corona betroffen und mussten alle Werke in China schließen und konnten erst im März wieder hochfahren", so der Manager.

An oberster Stelle sei gleich zu Beginn der Krise die Gesundheit der Mitarbeiter gestanden, sagte Eibensteiner. "Wir haben auch alles getan, um die Ergebnisse zu stabilisieren und den Cashflow zu optimieren", betonte der CEO. Im Laufe des Geschäftsjahres - im Sommer und besonders im zweiten und dritten Quartal - habe sich die Dynamik in der Wirtschaft dann doch deutlich verbessert, vor allem in China.

Die Krise kostete aber im abgelaufenen Geschäftsjahr 1,4 Mrd. Euro Umsatz. Die Verkaufserlöse brachen von 12,7 auf 11,3 Mrd. Euro ein, ein Minus von 11,4 Prozent. Der Großteil davon sei "auf fehlende Mengen im ersten und zweiten Quartal" infolge der Coronakrise zurückzuführen, sagte Finanzvorstand Robert Ottel. Trotzdem sei es gelungen, das operative Ergebnis im Vergleich zum Vorjahr "nahezu konstant zu halten". Die deutliche Verbesserung bei EBIT und Jahresüberschuss sei "auf die geringeren Sondereffekte zurückzuführen". 2019/20 hatte die Voest noch Abschreibungen im Volumen von rund 480 Mio. Euro in den Büchern. Die genannten 197 Mio. Euro 2020/21 verteilten sich auf drei Bereiche - 163 Mio. Euro entfielen auf das Roheisenwerk in Texas, 25 Mio. Euro auf den Nahtlosrohrhersteller voestalpine Tubulars in Kindberg, der von der Coronakrise besonders stark betroffen war und den Wegfall von 250 Arbeitsplätzen hinnehmen musste; weitere 9 Mio. Euro an Abschreibungen waren im Drahtbereich nötig. Jobs kostete die Coronakrise auch bei voestalpine Aerospace in Kapfenberg - dort wurden 300 Stellen gestrichen.

Weitere Kürzungen des Personalstandes in Österreich stehen vorerst nicht an: "Wir haben in der Steiermark 550 Mitarbeiter abgebaut und sehen jetzt keinen Bedarf jetzt noch zusätzlich Abbaumaßnahmen vorzunehmen", sagte Eibensteiner. "Mittlerweile haben wir auch die Kurzarbeit in der Steiermark beendet."

In Kapfenberg wird derzeit ein neues Edelstahlwerk gebaut, dass "spätestens Mitte 2022", also rund ein Jahr später als ursprünglich geplant, in Vollbetrieb gehen soll, wie der dafür zuständige Vorstand und Leiter der Konzerndivision High Performance Metals, Franz Rotter, bekräftigte. Die Kaltinbetriebnahme erfolge "aus heutiger Sicht Ende 2021". Allerdings verteuert sich das Projekt um 35 bis 70 Mio. Euro auf bis zu 420 Mio. Euro, wie die voestalpine heute wissen ließ. Corona und Lieferverzögerungen bei Anlagenlieferanten hätten zu Verzögerungen beim Bau geführt. Letztlich sollen in dem hochautomatisierten Werk rund 100 Arbeitsplätze entstehen.

Das abgelaufene Geschäftsjahr sei von einem Wirtschaftseinbruch historischen Ausmaßes geprägt gewesen. Im ersten Quartal 2020/21 sei die Nachfrage in beinahe allen Kundensegmenten massiv eingebrochen, ab dem zweiten Quartal verbesserte sie sich trotz neuerlicher Lockdowns in vielen Märkten und stieg kontinuierlich an. Vor allem die Automobilindustrie, die die Voest mit Stahlprodukten beliefert, "kehrte überraschend stark aus dem Coronatief zurück". Aktuell verzeichneten beinahe alle wichtigen Kundenbranchen des Konzerns eine "anhaltend hohe Nachfrage". In manchen Bereichen sei sogar "nahezu eine durch Nachholeffekte ausgelöste Überhitzung" feststellbar. "Wir betreiben unsere Werke mit hoher Auslastung und die Lieferperformance der voestalpine ist sehr hoch", so der Konzernchef zur aktuellen Lage.

Die von der Krise besonders stark getroffene Öl- und Gasindustrie beginne sich schrittweise zu erholen. In der Luftfahrt dauert das aber wohl noch etwas länger - hier sei "bestenfalls eine leichte Verbesserung im Laufe des Geschäftsjahres 2021/22" zu erwarten. Der Geschäftsbereich Bahninfrastruktursysteme hingegen habe sich über den gesamten Jahresverlauf hinweg stabil entwickelt. Ein Allzeithoch beim Auftragseingang verbuchte das Segment Lagertechnik, das vom boomenden Online-Handel profitierte.

Die Ergebnisse der voestalpine verbesserten sich den Konzernangaben zufolge von Quartal zu Quartal "markant". Vor Zinsen und Steuern drehte das Ergebnis (EBIT) gegenüber dem Jahr davor von minus 89 Mio. auf plus 115 Mio. Euro - es fielen Sonderabschreibungen in Höhe von 197 Mio. Euro an, die vor allem das 2016 eröffnete Roheisenwerk in Texas sowie auf voestalpine Tubulars in Kindberg (Steiermark) auslösten, wo der Konzern Nahtlosrohre für die Öl- und Gasindustrie herstellt. Die EBIT-Marge betrug 1 Prozent (Jahr davor: minus 0,7 Prozent). Der Rückgang des Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) um 4 Prozent auf 1,1 Mrd. Euro sei angesichts der Coronakrise "moderat" ausgefallen. Das Ergebnis je Aktie (EPS) drehte von minus 1,24 Euro auf plus 0,24 Euro. Der Personalstand wurde um gut 1.000 Beschäftigte gekürzt und verkleinerte sich zum Ende des Geschäftsjahres um 2 Prozent von 49.682 auf 48.654 Mitarbeiter (Vollzeitäquivalente).

Durch konsequentes Working Capital Management und geringere Ausgaben für Investitionen baute die Voest im abgelaufenen Geschäftsjahr trotz Corona massiv Schulden ab. Das sei "aus eigener Kraft" - ohne Kapitalerhöhung und ohne Verkäufe - gelungen, betonte der Finanzvorstand. Insgesamt schraubte der Konzern seine Investitionen gegenüber dem Jahr davor um ein Fünftel kräftig zurück - das Volumen wurde um 21,2 Prozent von 777 Mio. auf 612 Mio. Euro gedrosselt.

Die Nettofinanzverschuldung verringerte sich den Angaben zufolge von 3,8 Mrd. auf 2,7 Mrd. Euro - den niedrigsten Wert seit 2014/15. Das Eigenkapital blieb stabil bei 5,65 Mrd. Euro per 31. März 2021 (Jahr davor: 5,61 Mrd. Euro). Die Verschuldungskennzahl Gearing Ratio (Nettofinanzverschuldung im Verhältnis zum Eigenkapital) verbesserte sich zu dem Stichtag von 67,2 auf 48,5 Prozent.

"Die Gearing Ratio 67 Prozent war zu hoch", räumte Ottel ein. Zu Beginn des Geschäftsjahres 2019/20 saß die Voest den Angaben zufolge noch auf einem Schuldenberg von 4,1 Mrd. Euro. "Im Sommer 2019 haben wir begonnen, den Konzern darauf einzuschwören, dass der Schuldenabbau oberste Priorität bei uns erhält", berichtete der Finanzchef. 2020/21 wurde die Liquidität dank zahlreicher Maßnahmen trotz Wirtschaftskrise gesteigert. Der Cashflow aus der Betriebstätigkeit erhöhte sich deutlich von 1,3 auf 1,6 Mrd. Euro.

Angesichts der nun insgesamt positiven Nachfragesituation und der voraussichtlichen weiteren Erholung der Gesamtkonjunktur ist das Management zuversichtlich für das laufende Geschäftsjahr 2021/22 und rechnet mit einem wesentlichen Anstieg des EBITDA auf 1,6 bis 1,9 Mrd. Euro. Wichtige Wachstumsimpulse würden auch von den billionenschweren Konjunkturpaketen der EU und USA zur Belebung der Wirtschaft nach der Covid-19-Krise erwartet. Die Krise sei jedoch noch nicht überwunden. "Was bleibt, ist die angespannte Lage am Stahlmarkt und am Rohstoffmarkt", so Eibensteiner unter Verweis auf Verknappungen, extrem hohe Preise "und natürlich angespannte Lieferketten". Trotz der Verfügbarkeit wirksamer Corona-Impfstoffe und einer steigenden Durchimpfungsrate seien die weitere Entwicklung der Pandemie und deren ökonomische Auswirkungen "noch nicht endgültig absehbar".

Die weitere Zukunft: Der Stahlkonzern hat das Ziel, bis 2050 klimaneutral zu produzieren. Bis 2030 will die Voest - als Zwischenschritt - 30 Prozent ihrer CO2-Emissionen im Vergleich zum Status quo vor der Coronakrise einsparen, wofür in Linz und Donawitz rund 1 Mrd. Euro an Investitionen anfallen. In den vergangenen zehn Jahren habe das Unternehmen bereits 2,4 Mrd. Euro für Umweltschutz ausgegeben.