Zunächst kann nicht weitergebaut werden © APA - Austria Presse Agentur

Im Streit um Nord Stream 2 hat die scheidende US-Regierung quasi in letzter Minute noch Sanktionen gegen die Gas-Pipeline zwischen Russland und Deutschland verhängt. Die am Dienstag in Kraft getretenen Strafmaßnahmen richten sich gegen ein russisches Verlegeschiff. Der scheidende US-Außenminister Mike Pompeo gab die Sanktionen gegen das Schiff "Fortuna" und die russische Firma KVT-RUS bekannt.

Er drohte zugleich weitere Strafmaßnahmen an. Allerdings endet die Amtszeit der Regierung von Präsident Donald Trump am Mittwoch. Die Amtszeit der Regierung Trump endet um 12.00 Uhr Washingtoner Zeit, dann übernimmt Joe Biden das Präsidentenamt.

Das deutsche Wirtschaftsministerium hatte bereits am Montagabend mitgeteilt, dass die scheidende US-Regierung unter Präsident Donald Trump Sanktionen gegen das russische Verlegeschiff "Fortuna" und dessen Inhaber, die russische Firma KVT-RUS, verhängen werde. "Wir nehmen die Ankündigung mit Bedauern zur Kenntnis", hieß es dazu.

Die Pipeline soll das Potenzial für russische Gaslieferungen nach Deutschland deutlich erhöhen, schürt aber Spannungen sowohl innerhalb der EU als auch mit den USA. Die US-Regierung von Trump lehnt den Bau der Pipeline entschieden ab und verhängte bereits Ende 2019 Sanktionen gegen die Betreiber von Verlegeschiffen; außerdem drohte Washington weitere Sanktionen gegen beteiligte Firmen an.

Die Verlegearbeiten waren deshalb im Dezember 2019 ausgesetzt worden. Derzeit ist die Pipeline nach Angaben der Betreibergesellschaft Nord Stream 2 AG, an der neben dem russischen Energieriesen Gazprom auch die österreichische OMV, Uniper und Wintershall aus Deutschland, der französische Konzern Engie sowie der britisch-niederländische Konzern Shell als Finanzinvestoren beteiligt sind, zu 94 Prozent fertiggestellt. Demnach sind noch etwa 120 Kilometer Pipeline in dänischen und etwas über 30 Kilometer in deutschen Gewässern zu verlegen.

Laut dem deutschen Wirtschaftsministerium hatte die US-Botschaft in Berlin die Berliner Regierung am Montag informiert, dass am Dienstag konkrete Strafmaßnahmen verkündet werden sollten. Demnach sollen die Strafmaßnahmen das am Pipeline-Bau beteiligte russische Verlegeschiff "Fortuna" betreffen. Seitens der USA gab es zunächst noch keine offizielle Ankündigung.

Es wäre das erste Mal, dass ein konkretes Unternehmen auf Grundlage der US-Sanktionsgesetze gegen Nord Stream 2 bestraft wird. Bis jetzt dienten diese Gesetze vor allem als wirksame Drohkulisse, durch die der Bau der Pipeline bereits massiv verzögert wurde. So führte etwa schon die Androhung von Strafen dazu, dass die Schweizer Firma Allseas, die mit Spezialschiffen Rohre in der Ostsee verlegt hatte, die Arbeiten Ende 2019 einstellte. Das norwegische Zertifizierungsunternehmen DNV GL bestätigte am Montag den Rückzug aus dem Projekt.

Die USA laufen Sturm gegen die Gas-Pipeline, weil sie eine zu große Abhängigkeit ihrer Partner in Europa von Russland sehen. Unterstützt werden sie von osteuropäischen Staaten wie Polen und den baltischen Ländern. Kritiker werfen den USA dagegen vor, nur ihr Flüssiggas in Europa besser verkaufen zu wollen.

Oliver Hermes, Vorsitzender des Ost-Ausschusses teilte mit, die nun angekündigten US-Sanktionen während der letzten Amtstage der Trump-Administration kämen nicht überraschend. Die Sanktionen seien nichts anderes als "Bevormundung wichtiger Verbündeter durch die USA im Stil von 'America First'". Die EU sei erwachsen genug, ihre Energiepolitik selbst zu bestimmen. Der Vorsitzende des Bundestags-Wirtschaftsausschusses und Linken-Politiker Klaus Ernst teilte mit, er gehe davon aus, dass die Sanktionen nicht die beabsichtigte Wirkung haben werden. Er forderte Gegenmaßnahmen, etwa Strafzölle auf US-Gasimporte.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) erneuerte am Dienstag ihre Kritik an der Pipeline und forderte ein "einjähriges Moratorium für alle Importprojekte für Erdgas, um energiepolitischen Bedarf und Vereinbarkeit mit Klimazielen zu überprüfen".

Nach Angaben des russischen Energiekonzerns Gazprom als Hauptinvestor von Nord Stream 2 sind 94 Prozent der Pipeline bereits fertiggestellt. Sie besteht aus zwei Leitungssträngen mit einer Länge von jeweils rund 1.230 Kilometern und soll künftig jedes Jahr zusätzlich 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas von Russland nach Deutschland befördern.