Handelsumsätze stagieren real © APA - Austria Presse Agentur

Drei bis vier Milliarden Euro dürften Österreichs Haushalte heuer im Handel mehr ausgeben als 2021 - sie bekommen dafür aber nicht mehr Produkte. Denn die Differenz - im Schnitt 760 Euro pro Haushalt - werde von der Inflation aufgefressen, sagte Andreas Kreutzer, Chef des Branchenradar.com, am Dienstag vor Journalisten. Das seien noch Ausgaben ohne Energie, Mieten, Treibstoffe. In Summe dürfte der Umsatz des Handels heuer zwar nominell zulegen - real aber leicht schrumpfen.

Rund 70 Mrd. Euro Umsatz hat laut einer Untersuchung von Kreutzer im Auftrag des Handelsverbands der Handel 2021 erzielt, real sei das Niveau von 2019, vor der Corona-Krise damit aber noch nicht erreicht. Das wird sich auch heuer nicht ausgehen. Wie sehr Händler dabei die steigenden Preise weitergeben können, hänge stark von der Branche ab. Modeartikel etwa seien heuer kaum teurer als im Vorjahr, weil die Menschen sehr preissensibel geworden seien. Der Umsatz steige heuer zwar stark, weil die Menschen nachholen, was sie in zwei Jahren mit Lockdowns versäumt haben. Der Verkauf dürfte aber trotzdem gerade nur das Niveau von 2019 wieder erreichen, so Kreutzer.

Dafür dürfte 2022 eine Rückkehr des stationären Handels bringen: Hier legen die Umsätze um mehr als fünf Prozent zu während der Online-Absatz nur um zwei Prozent steigt.

Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbands, warnte in der gemeinsamen Pressekonferenz, dass laut einer Umfrage heuer 6.000 Händler schließen könnten - viele davon still und ohne Insolvenz. Das werde in manchen Innenstadtlagen das Stadtbild negativ verändern, warnt Will und fordert eine stärkere Unterstützung für den Handel. Insbesondere kritisiert er das bisher angekündigte Hilfspaket der Regierung für energieintensive Betriebe. Demnach sollen Unternehmen, deren Energiekosten mehr als drei Prozent der Produktionskosten ausmachen, eine Unterstützung erhalten. Entgegen den Ansagen der Regierung würden "praktisch keine" Handelsbetriebe unter diese Regelung fallen, ärgert sich Will. Dabei sei dies unter EU-Recht nicht die einzige Möglichkeit, Firmen zu helfen. Denn es gebe auch eine Bestimmung, wonach jene Betriebe, deren Energierechnung sich mehr als verdoppelt hat, Förderung erhalten können. Das würde für viele Händler gelten, sei bisher in Österreich aber nicht vorgesehen, kritisiert Will. Abgesehen von der Kurzarbeit würden andere Branchen im Vergleich zum Handel bei Förderungen bevorzugt, das sei schon in Coronazeiten so gewesen, findet Will.

Schwer tut sich der Lebensmittelhandel, mit etwa 27 Mrd. Euro Umsatz der größte Sektor im Handel. Denn inzwischen reduzieren sich laut einer Befragung des Handelsverbands 19 Prozent der Menschen auf die notwendigsten Ausgeben, drei Viertel setzen auf günstige Lebensmittel. Das habe den Trend weg von Markenartikeln hin zu Handelsmarken beschleunigt. Auch Bioprodukte, die sich tendenziell weniger verteuert haben als konventionelle, würden sehr oft unter Handelsmarken vertrieben, gibt Kreutzer zu bedenken.

Kreutzer wies seinerseits darauf hin, dass viele Wirtschaftsbereiche derzeit die allgemeine, auch in den Medien geschürte Erwartung, dass Preise ohnehin steigen, dazu nutzen, ohne Not die Preise zu erhöhen. Flugpreise etwa seien um 26 Prozent gestiegen, obwohl nur das Kerosin teurer geworden sei und das um weniger als 26 Prozent. Die hohe Inflation habe nicht nur mit gestiegenen Preisen am Anfang der Wertschöpfungskette zu tun, sondern "jeder Wirtschaftssektor knallt noch etwas drauf", so Kreutzer. Das sei "kein Vorwurf, das ist Fakt". Fazit des Marktforschers: "Die Welt ist nicht gut."

Wie das Jahr insgesamt zu bewerten ist, wird sich erst nach dem Weihnachtsgeschäft zeigen. Und dieses sei heuer besonders schwer, weil einerseits bei vielen Betrieben die hohen Energiepreise erst zum Jahresende so richtig durchschlagen und andererseits die Haushalte zunehmend die gestiegenen Energiekosten und Mieten spüren werden, so Norbert Scheele, Vizepräsident des Handelsverbands und Chef von C&A Österreich und CEE: "Dann werden wir sehen, was sich die Menschen noch leisten können oder wollen."