Eine "Technologieoffensive" würde Österreichs Industrie dabei helfen, sich in rasch verändernden wirtschaftlichen Umständen zu behaupten. Nicht zuletzt im Rahmen der Covid-Pandemie sei klar geworden, dass man sich strategisch ansehen müsse, wo zukünftig "ungesunde" Abhängigkeiten entstehen. Um Souveränität sicherzustellen, sollte verstärkt darüber nachgedacht werden, wie man Produktion zurückholt und Rohstoffe sichert, heißt es in einer Empfehlung des Forschungsrates.

In dem Papier stecken "viele Learnings aus der Pandemie drinnen", sagte die stellvertretende Vorsitzende des Forschungsrates (RFTE), Sabine Herlitschka, am Mittwoch vor Journalisten. In der "Empfehlung für eine Neuausrichtung der österreichischen Industriepolitik" geht man davon aus, dass Industriepolitik zukünftig im Grunde großteils auf Forschung-, Technologie-, Innovations- und Bildungspolitik beruht. Die rasche Impfstoffentwicklung im Zuge der Pandemie zeige eindrucksvoll, dass neue Wertschöpfungsketten vielfach auf Grundlagenforschung beruhen.

Sie habe aber auch gezeigt, "was relevant ist". Dazu zähle etwa, dass Abhängigkeiten sichtbar geworden sind - von der alles andere als hochtechnologischen Maskenproduktion bis in die Mikroelektronik-Branche, die aktuell mit Chipmangel zu kämpfen hat, so die Infineon Austria-Chefin. Dementsprechend müsse auch die Frage im Mittelpunkt stehen, "wie wir uns krisenfitter machen?"

Im Fokus sollte daher vor allem die Entwicklung von Umwelt-, Nachhaltigkeits- und anderen Schlüsseltechnologien, wie dem Quantencomputing, und der Datenökonomie stehen. Bei der Quantenforschung handle es sich um ein echtes Zukunftsfeld, das auch international klar so gesehen werde, und wo Österreich "aus glücklichen Umständen heraus herausragende Expertise" habe. Damit solche Felder auch wirtschaftlich entwickelt werden können, brauche es aber das richtige Umfeld. Leider darbe hierzulande der Risikokapitalsektor weiter dahin.

Damit innovative Ansätze, die etwa EU-weit im Rahmen der forschungsintensiven "Important Projects of Common European Interest" (IPCEI) angegangen würden, auch einen Markt vorfinden, müsse der Staat mithelfen. In Österreich mache die öffentliche Beschaffung pro Jahr 45 Milliarden Euro aus. "Das ist echt viel", so Herlitschka. Wenn nun etwa im Rahmen der IPCEIs "Mikroelektronik und Konnektivität" oder "Wasserstoff" neue Produkte entstehen, sollten diese in Europa auch prioritär seitens der öffentlichen Hand im Rahmen einer echten innovationsfördernden öffentlichen Beschaffung (IÖB) gekauft werden. Wenn in der Krise hierzulande etwa kostenintensiv eine Maskenproduktion aufgebaut wird, dann aber Produkte aus China gekauft werden, mache das eben wenig Sinn.

Gerade auch in der Biotechnologie und Medizin hätten sich zuletzt große Abhängigkeiten offenbart. Hier gelte es, eher nicht die komplette Produktion etwa aus Indien zurückzuholen, aber eben jene Bereiche, "wo Abhängigkeiten ungesund sind", betonte Herlitschka.

Um solchen Entwicklungen vorzubeugen, empfiehlt der Forschungsrat die Einrichtung einer "Stelle für strategische Intelligenz". Hier sollten sich Experten über den Zeithorizont von Regierungsperioden hinaus damit auseinandersetzen, wie man sich etwa auf die nächste Krise vorbereitet - "vom Klopapier bis zum Chip", sagte RFTE-Geschäftsführer Ludovit Garzik. Dazu brauche es die gezielte Suche nach neuen Technologien, eine "kritische Distanz" zur Politik, verbindliche Berichterstattung an diese und ein echtes Einwirken auf sie. Eine solche Einrichtung sollte jedenfalls möglichst greifbar und "mit einer konkreten Adresse" ausgestattet sein, betonte Herlitschka.

Strategische Kompetenzen brauche es auch, wenn es darum geht, eine "Modernisierung des europäischen Wettbewerbsrechts" anzugehen oder möglichst sicherzustellen, dass es "keinen Ausverkauf europäischer Technologie" gibt. Über den "Spannungsbogen", der bei all der Betonung auf Widerstandsfähigkeit und Souveränität und dem gleichzeitigen Hochhalten der Internationalität in dem Papier entsteht, sei man sich durchaus bewusst, hieß es seitens dem RFTE. Es gehe um ein durchdachtes Abwiegen, wo was Sinn macht. Dazu brauche es auch eine ausreichende Unterstützung von Forschung, Technologieentwicklung und Innovation und letztlich der Bildung als Grundbaustein einer Hochtechnologie-Gesellschaft.

(S E R V I C E - Die Empfehlung online: http://go.apa.at/EcREU1e8)

(APA)