AK-Direktor Christoph Klein gegen "Steuergeschenke an Unternehmen" © APA - Austria Presse Agentur

Die Arbeiterkammer wollte wissen, wer die wirtschaftliche Hauptlast der Coronakrise trägt, und hat sich deshalb die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Statistik Austria angesehen. "Die Zahlen haben uns selber verblüfft", sagt AK-Direktor Christoph Klein. Der Schluss, den die AK aus den Zahlen zieht, ist dennoch nicht überraschend: Verlierer der Coronakrise seien vor allem die Arbeitnehmer, während die Unternehmen insgesamt von einer Überförderung profitiert hätten.

Für ihre Analyse haben sich die AK-Ökonomen die Primärseite der Verteilungsrechnung angesehen und dabei den Arbeitnehmern die Arbeitnehmerentgelte zugerechnet, nämlich brutto mit Beiträgen zur Sozialversicherung inklusive Dienstgeber-Beiträgen, Unfallversicherung und Krankenversicherung. Auf der Unternehmensseite wurden die Bruttobetriebsüberschüsse - im Wesentlichen Gewinne und Abschreibungen - verbucht. Auch die Selbstständigen-Einkommen wurden hier dazugezählt. "Was der Arbeitgeber an Steuern zahlt, wie Körperschaftsteuer, Einkommensteuer ist sozusagen im Unternehmenseinkommen enthalten."

Alles zusammen sei die Bruttowertschöpfung, "das ist das, was im Land produziert wird", erklärte Klein. "Da schneidet natürlich der Staat auch noch mit, mit Gütersteuern, insbesondere der USt und sonstigen Produktionsabgaben, zum Beispiel dem FLAF-Beitrag."

Die AK hat den Zeitraum vom 1. April 2019 bis 31. März 2020 - "die Zeit, als die Welt noch in Ordnung war" - mit dem Zeitraum vom 2. Quartal 2020 bis zum 1. Quartal 2021 verglichen. In dieser Zeit ist das Bruttoinlandsprodukt um 20,8 Mrd. Euro gesunken, von 396,3 Mrd. auf 375,5 Mrd. Euro. "Dass der Staat um 20,4 Mrd. Euro weniger hat, ist einleuchtend", so Klein. Davon seien 16,7 Mrd. Euro zusätzliche Subventionen, "die ganzen Coronahilfen, deren Sinnhaftigkeit niemand bezweifelt, haben einfach einen Haufen Geld gekostet".

Während jedoch wegen Corona auf der Arbeitnehmerseite durch Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit, aber auch weniger Überstunden in Summe um 5,5 Mrd. Euro weniger verbucht wurden, seien die Unternehmereinkommen in dieser Zeit um 5,1 Mrd. Euro gewachsen. "Das ist sicherlich ein zarter Hinweis auf eine Überförderung", meinte Klein im Gespräch mit der APA. Viele Unternehmen seien mit den Förderungen "sehr gut über die Runden gekommen".

Dabei könne man nicht genau sagen, welche Branchen profitiert hätten, sagte Klein. Gewisse Branchen seien auch in der Coronazeit ausgesprochen gut gelaufen, etwa der Bau, die Industrie und der Lebensmittelhandel.

Die Schlussfolgerung, die Klein daraus zieht: "Jetzt ist in der laufenden Steuerreform-Diskussion nicht die Zeit für Steuergeschenke an die Wirtschaft, sondern jetzt sind die Arbeitnehmer dran. Das gilt auch für die anstehenden Kollektivvertragsverhandlungen."

Eine rasche Rückführung der gestiegenen Staatsschulden ist nach Ansicht der Arbeiterkammer nicht vordringlich. Jetzt sofort Einschnitte beim Sozialstaat und bei Investitionsförderungen oder Steuererhöhungen vorzunehmen, "halten wir nicht für sinnvoll". Im Moment gehe es darum, "das zarte Konjunkturpflänzchen nicht wieder abzuwürgen".

Kritik an den AK-Aussagen kommt von der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ): Laut WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf beruht die Kritik der Überförderung auf einer "Milchmädchenrechnung", die viele Faktoren nicht berücksichtige. Vielmehr sei zu beachten, dass laut Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) im Krisenjahr 2020 70 Prozent des Volkseinkommens auf die Arbeitnehmer entfallen seien. Das sei der höchste Wert seit Jahrzehnten: Im Jahr 2000 waren es 69 Prozent und 2008 nur 64 Prozent. Auch war die Arbeitslosigkeit im Vorjahr zwar hoch, dennoch ging die Beschäftigung insgesamt nur um zwei Prozent zurück, während das BIP wesentlich stärker einbrach. Laut Kopf hat die Krise Unternehmen und Selbstständige besonders hart getroffen, da sei es nicht angebracht, bei den Corona-Hilfen eine Schieflage zu konstruieren.

Die SPÖ fordert, dass Krisengewinner die erhaltenen Wirtschaftshilfen in Form einer Corona-Sonderabgabe zurückzahlen. Das Geld soll in einen Beschäftigungsfonds fließen und Betriebe bei der Schaffung von zusätzlichen Arbeitsplätzen unterstützen. Der entsprechende Antrag wurde gestern von der SPÖ im Plenum des Nationalrats eingebracht und dem Wirtschaftsausschuss zugewiesen, wo er am kommenden Dienstag abgestimmt werde. Als Beispiele für Überförderung nennt die SPÖ in dem Antrag etwa McDonald's und KTM. "Es kann nicht sein, dass manche Unternehmen Millionen Euro an Corona-Förderungen bekommen und dann ausgerechnet in der Krise Rekordgewinne schreiben", kritisiert SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter. Daher sollten die Krisengewinne, die aus verfehlten Fördermaßnahmen der Bundesregierung erzielt wurden, durch eine Sonderabgabe abgeschöpft werden.